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ArbG Hamburg: Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einführung von ChatGPT und Richtlinien für Beschäftigte zur Nutzung von KI

29.02.2024

BLUEDEX KI

Nach Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. Januar 2024 (Az. 24 BVGa 1/24) hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 BetrVG bei der Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Systeme der künstlichen Intelligenz (KI).

  1. Sachverhalt

In dem Beschluss zugrunde liegenden Fall hat ein Konzernbetriebsrat beantragt, dass die Arbeitgeberin, ein global agierender Hersteller im Bereich der Medizintechnik mit Sitz in Hamburg, ihren Mitarbeitern den Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz verbietet. Hintergrund war, dass das Unternehmen plante, die generative künstliche Intelligenz als neues Werkzeug zur Unterstützung der Mitarbeiter bei der Arbeit einzusetzen.

Aus diesem Grund veröffentlichte das Unternehmen auf dessen Intranetplattform zunächst die „Guidelines for Generative Al Utilization“, die Generative KI-Richtlinie Version 1 und das Handbuch „Generative al Manual ver.1.0.“, die den Arbeitnehmern Richtlinien für die Nutzung von IT-Tools mit künstlicher Intelligenz bei der Arbeit vorgeben. Zusätzlich veröffentlichte das Unternehmen eine Erklärung an die Mitarbeiter, in der über die KI-Richtlinien informiert wurde.

ChatGPT und auch andere Systeme der generativen Künstlichen Intelligenz werden dabei nicht auf den Computersystemen der Mitarbeiter installiert. Die Arbeitnehmer bekommen keinen Firmenzugang zum vorgenannten Tool, sondern müssen sich dort eigenständig registrieren und können die Software über den Webbrowser nutzen. Sofern die Nutzung des Tools Kosten verursacht, müssen diese die Arbeitnehmer selber tragen. Dabei hat das Unternehmen keine Informationen darüber, welcher Mitarbeiter einen Account eingerichtet hat, wann, in welchem Zusammenhang und wie lange dieser das Tool nutzt und welche Informationen er gegenüber dem System preisgibt.

Der Konzernbetriebsrat berief sich auf sein Mitbestimmungsrecht und führte an, dass gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht in Fragen des Ordnungsverhaltens der Mitarbeiter bestehe. Der Konzernbetriebsrat argumentierte, dass die Richtlinie und das Handbuch den Mitarbeitern Vorgaben für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz machen, wodurch das Ordnungsverhalten beeinflusst werde. Zusätzlich berief sich der Konzernbetriebsrat auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Systeme vorsehe. Der Einsatz von ChatGPT könne die Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitarbeiter zur Folge haben. Des Weiteren sah der Konzernbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG betroffen, da die Einführung neuer Software zu psychischen Belastungen der Mitarbeiter führen könne.

Aufgrund dieser Argumentation forderte der Konzernbetriebsrat die Beseitigung des angeblich mitbestimmungswidrigen Zustands, also die Entfernung der Informationen über den KI-Einsatz aus dem Intranet, die Rücknahme der Richtlinie und die Rücknahme der Erlaubnis für die Mitarbeiter, KI zu nutzen.

  1. Entscheidung des ArbG Hamburg (Beschluss vom 16.01.2024 – 24 BVGa 1/24)

Das Arbeitsgericht Hamburg entschied zugunsten des Arbeitgebers, dass im konkreten Fall die Rechte des Betriebsrats nicht verletzt wurden.

  • 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – Ordnungsverhalten

Das Arbeitsgericht Hamburg prüfte zunächst, inwiefern generative KI-Systeme das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Es stellte fest, dass die Nutzung von KI ein Arbeitsmittel darstellt und somit dem Arbeitsverhalten der Beschäftigten zuzuordnen sei.

Das Gericht führte zudem an, dass die Entscheidung über die Ausführung der vertraglich vereinbarten Arbeit nicht in den Bereich der Mitbestimmung fällt. Bei den Richtlinien und Handbüchern zur Nutzung von KI handele es sich um Anweisungen, die die Arbeitsweise betreffen und somit der Festlegung durch den Arbeitgeber obliegen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe demnach nicht.

  • 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG – Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer

Das Gericht lehnte ebenso ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ab.

Der Betriebsrat hatte angeführt, dass die Nutzung von ChatGPT personenbezogene Daten der Arbeitnehmer verarbeite und speichere. Das Arbeitsgericht Hamburg stellte jedoch fest, dass das Tool keine direkten Überwachungsmechanismen beinhaltet und damit keine technischen Einrichtungen zur Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten darstellt.

Das Gericht führte an, dass die Arbeitnehmer im konkreten Fall einen selbst angelegten Account bedienen und über den Browser auf das Tool zugreifen. Der Arbeitgeber habe darauf keinen Zugriff und wisse demnach auch nicht in welchem zeitlichen Ausmaß und für welche Zwecke ChatGPT von den Beschäftigten genutzt werde. Zur Nutzung von Browsern hätten die Parteien eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, so dass der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bereits ausgeübt habe.

  • 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG – Gesundheitsschutz

Schließlich lehnte das Arbeitsgericht Hamburg auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ab. Der Betriebsrat habe nichts zu einer konkreten Gefährdung der psychischen Gesundheit von Arbeitnehmern vorgetragen und eine solche sei auch nicht erkennbar.

  1. Fazit und Praxistipps

In diesem Fall war für das Urteil des Gerichts entscheidend, dass die Arbeitnehmer eigene Accounts auf den KI-Systemen anlegen und diese nicht dem Zugriff des Arbeitgebers unterliegen.

Sofern der Arbeitgeber entweder selbst Accounts bei den KI-Systemen für Arbeitnehmer einrichtet oder Unternehmensaccounts erwirbt, wäre die Mitbestimmung hinsichtlich § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG anders zu beurteilen. Der Arbeitgeber hätte so direkten Zugriff auf die Accounts und könnte damit auch eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle durchführen. Hier würde das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mit hoher Wahrscheinlichkeit greifen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg hat zudem weitreichende Implikationen für die betriebliche Praxis. Der Einsatz von KI-gestützten Tools in Unternehmen wird in Zukunft zunehmen und damit auch neue rechtliche Fragestellungen aufwerfen. Dies betrifft nicht nur die unterschiedlichen Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, sondern vor allem auch die Vorgaben des Datenschutzes gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Betriebsparteien sind daher gezwungen, sich mit den entsprechenden Regelungen und Anforderungen auseinanderzusetzen. Es ist bereits jetzt ratsam, interne Richtlinien zur Nutzung von KI-Systemen zu entwickeln und festzulegen, wie KI im Unternehmen korrekt eingesetzt werden kann.