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BAG: Annahmeverzugslohn und Auskunftsanspruch des Arbeitgebers hinsichtlich anderweitigen Erwerbs

03.12.2020

  1. Die Entscheidung

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27. Mai 2020 (5 AZR 387/19) ist der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Auskunft über Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit und des Jobcenters verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert und die Einwendung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs des Arbeitgebers wahrscheinlich begründet ist. Grundlage dieses Auskunftsanspruchs ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB.

  1. Hintergrund

Der klagende Arbeitnehmer ist bei der Beklagten seit Juni 1996 als Bauhandwerker beschäftigt. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger seit dem Jahr 2011 mehrere Kündigungen aus. Diese Kündigungen hatte der Kläger erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht somit fort. Seit Februar 2013 hat die Beklagte keine Vergütung an den Kläger gezahlt.

Vor diesem Hintergrund erhob der Kläger Klage auf Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit ab Februar 2013 unter Anrechnung bezogenen Arbeitslosengeldes und Arbeitslosengeldes II. Die Beklagte erhob den Einwand, der Kläger habe es böswillig unterlassen, anderweitig Verdienst zu erzielen.

Die Beklagte begehrte vom Kläger Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter in der Zeit vom 01. Februar 2013 bis zum 30. November 2015 dem Kläger unterbreiteten Stellenangebote Dritter. Dabei forderte die Beklagte die konkrete Nennung der Tätigkeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie der Vergütung in Euro. Der Kläger habe es böswillig unterlassen, anderweitig Verdienst zu erzielen.

Das BAG stellte zunächst klar, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Auskunftsansprüche bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann, ohne dass durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess unzulässig verändert werden darf.

Diese Voraussetzungen sah das BAG im vorliegenden Fall als gegeben an. So stellt das Arbeitsverhältnis nach Ansicht des BAG eine hinreichende Sonderrechtsbeziehung dar. Auch die vom BAG geforderte Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung böswillig unterlassener anderweitiger Arbeit begründet ist, besteht. Denn der Kläger habe sich nach der Kündigung bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet. Diese sei verpflichtet, Arbeitsvermittlung anzubieten. Entsprechendes gelte für das Jobcenter, das Leistungen zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit erbringen soll. Hierzu gehöre die Arbeitsvermittlung.

Nach dem BAG gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Behörden ihren gesetzlichen Aufgaben nicht nachgekommen seien und es in Bezug auf den Kläger als Bauhandwerker im Streitzeitraum keine Möglichkeit der Arbeitsvermittlung gegeben habe.

Vor diesem Hintergrund hat das BAG einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers bejaht.

  1. Praxistipp

Der Arbeitgeber kann regelmäßig weder darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer überhaupt anderweitigen Verdienst hatte, noch kann er Angaben zur Höhe des anderweitigen Erwerbs machen. Insbesondere hat der Arbeitgeber aufgrund des Sozialgeheimnisses gem. § 35 Absatz 1 SGB I keinen Anspruch auf Mitteilung gegen die staatlichen Arbeitsvermittlungsstellen. Auch eine Ermittlung durch einen Dritten (etwa einen Detektiv) ist rechtlich nur eingeschränkt möglich, da es sich dabei um Datenverarbeitung handelt, die nur in den Grenzen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig ist.

Der Auskunftsanspruch des Arbeitgebers eröffnet ihm die Möglichkeit, Kenntnis über unterlassenen Verdienst zu erlangen, um – im nächsten Schritt – über die Anrechnung des unterlassenen Verdienstes das Annahmeverzugsrisiko zu senken. Inhaltlich kann der Arbeitgeber Auskunft über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung verlangen.

Felix Müller

Rechtsanwalt

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