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BAG schafft Klarheit für Massenentlassungsanzeige

04.07.2019

  1. Die Entscheidung

Das BAG hat mit Urteil vom 13. Juni 2019 (6 AZR 459/18) klargestellt, dass die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam erstattet werden kann, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind nach dem BAG – vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen – wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.

 

  1. Hintergrund

Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die von ihm verfasste Massenentlassungsanzeige ging am 26. Juni 2017 zusammen mit einem beigefügten Interessenausgleich bei der Agentur für Arbeit ein. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich betriebsbedingt. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am folgenden Tag zu. Dieser machte mit seiner Kündigungsschutzklage u.a. geltend, dass nach der Rechtsprechung des EuGHs der Arbeitgeber auch seiner Anzeigepflicht vor einer Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses nachzukommen habe. Deshalb dürfe die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben, mit der die Kündigungserklärung konstitutiv geschaffen werde, erst erfolgen, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Die Vorinstanz war dieser Argumentation gefolgt. Die Anzeige müsse die Agentur für Arbeit erreichen, bevor der Arbeitgeber die Kündigungsentscheidung treffe, was sich in der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens manifestiere.

Diese Auffassung teilte das BAG nicht. Das selbstständig neben dem nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführende Konsultationsverfahren (des Betriebsrats) stehende, in § 17 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 2 bis 5 KSchG geregelte Anzeigeverfahren dient nach dem BAG beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit – anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens – keinen Einfluss nehmen. Die Kündigung dürfe allerdings erst dann erfolgen, d.h. dem Arbeitnehmer zugehen, wenn die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist.

 

  1. Praxistipp

Die Entscheidung des BAG schafft für Arbeitgeber – nach verschiedenen Urteilen einzelner Landesarbeitsgerichte – in einem wichtigen Punkt endlich Klarheit und Rechtssicherheit:

Nach der – derzeit nur als Pressemitteilung vorliegenden – Entscheidung des BAG ist nunmehr klargestellt, dass die Kündigungserklärung bereits vor dem Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur erstellt und unterzeichnet werden kann, was für Arbeitgeber – bereits aus rein organisatorischer Sicht – sehr zu begrüßen ist.

Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es nach dem BAG – neben den sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen – lediglich darauf an, dass diese nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit dem Arbeitnehmer zugeht. Damit ist nicht das Absenden der Kündigungserklärung entscheidend, sondern der Zugang derselben beim Arbeitnehmer.

Felix Müller

Rechtsanwalt

info@BLUEDEX.de