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BAG: Streikmobilisierung auf Firmenparkplatz ist zulässig

27.11.2018

  1. Die Entscheidung

Das BAG hat zum Streikrecht entschieden, dass die streikführende Gewerkschaft befugt ist, die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebes anzusprechen, um sie für die Streikteilnahme zu gewinnen. Eine solche Aktion kann – in Abhängigkeit von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein (BAG, Urteil vom 20.11.2018 – Az. 1 AZR 189/17).

  1. Hintergrund

Ein Versand- und Logistikzentrum eines der weltweit größten Versandunternehmen wurde im September 2015 an zwei Tagen bestreikt. Zu dem Betriebsgelände gehörte u.a. ein ca. 28.000 qm großer Parkplatz, der von den Mitarbeitern genutzt wird. Die streikführende Gewerkschaft baute an den beiden Tagen auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang Stehtische und Tonnen auf und postierte dort ihre Vertreter sowie streikende Arbeitnehmer. Diese verteilten Flyer und forderten die vorbeikommenden Mitarbeiter zur Teilnahme am Streik auf. Ähnliches wiederholte sich im März 2016 im Rahmen eines eintägigen Streiks. Das Versandunternehmen als Arbeitgeber verlangte mit seiner Klage die zukünftige Unterlassung solcher Aktionen. Das BAG entschied nun, dass unter Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite, dass der Arbeitgeber eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung seines Besitzes hinzunehmen habe. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse könne die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern kommunizieren und im Gespräch versuchen, auf Arbeitswillige einzuwirken.

  1. Praxistipp

Die Entscheidung des BAG ist beachtenswert: Sie zeigt, dass Gewerkschaften im Rahmen eines Arbeitskampfes „Betriebsmittel“ des Arbeitgebers für ihre Zwecke im Einzelfall in Anspruch nehmen dürfen. Da bisher nur eine Pressemitteilung vorliegt, wird die Urteilsbegründung mit Spannung erwartet. Insofern wird sich zeigen, ob und wie deutlich die Erfurter Richter klarstellen, dass es sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung handelt und ob der Grundsatz, dass ein Arbeitgeber einen gegen ihn geführten Streik nicht „unterstützen muss“, aufgeweicht wird. Auch bleibt die Begründung im Hinblick auf das dem Arbeitgeber zustehende Hausrecht abzuwarten, das ihm bislang als (Gegen-)Mittel im Arbeitskampf zur Verfügung stand.

Felix Müller

Rechtsanwalt

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