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BAG zum Rechtsmissbrauch von Betriebsratsrechten

24.07.2019

  1. Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12. März 2019 (Az.: 1 ABR 42/17) entschieden, dass die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG wegen vom Arbeitgeber missachteter Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG in engen Grenzen rechtsmissbräuchlich sein kann.

  1. Der Hintergrund

In einem Klinikum in Niedersachsen, in dem ein Betriebsrat besteht, wurden sämtliche Arbeitskräfte auf Grundlage monatlich erstellter Dienstpläne eingesetzt. Ab März 2015 stimmte der Betriebsrat den von der Arbeitgeberin vorgelegten Dienstplänen jeweils nur teilweise zu, verweigerte gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aber seine Zustimmung im Übrigen. Im weiteren Verlauf wiederholte der Betriebsrat dieses Vorgehen für sämtliche Dienstpläne bis einschließlich August 2016. In der Zwischenzeit bemühte sich der Arbeitgeber sowohl außergerichtlich als auch durch gerichtliche Anträge, für jeden Monat Einigungsstellen einzusetzen, um die Streitigkeiten mit dem Betriebsrat beilegen und die Dienstpläne rechtzeitig umsetzen zu können. Der Betriebsrat widersetzte sich dem vehement und lehnte eine einvernehmliche Einsetzung der Einigungsstelle jeweils ab. In den Fällen, in denen das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle durch Beschluss einsetzte, legte der Betriebsrat jeweils Rechtsmittel ein und/oder weigerte sich, Beisitzer für die Einigungsstelle zu benennen und Terminvorschläge für Sitzungen der Einigungsstelle zu akzeptieren. Über pauschale Behauptungen hinausgehende Bedenken gegen die vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Dienstpläne konnte der Betriebsrat jeweils nicht nennen.

Aufgrund dessen setzte der Arbeitgeber die Dienstpläne jeweils ohne die Zustimmung des Betriebsrats um. Der Betriebsrat verlangte daraufhin vor dem Arbeitsgericht, dass der Arbeitgeber die Umsetzung solcher Maßnahmen in Zukunft unterlässt und obsiegte in den Vorinstanzen mit diesem Ziel. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hin hat das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidungen aufgehoben und klargestellt, dass dem Betriebsrat ausnahmsweise kein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Durchführung der Dienstpläne zusteht.

Dies insbesondere mit dem Argument der unzulässigen Rechtsausübung. Denn grundsätzlich steht dem Betriebsrat zwar sowohl aus § 87 Abs. 1 BetrVG selbst als auch aus § 23 Abs. 3 BetrVG ein Anspruch darauf zu, dass der Arbeitgeber mitbestimmungspflichtige Maßnahmen nicht ohne Einigung oder Spruch der Einigungsstelle umsetzt.

Etwas anderes gilt nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aber dann, wenn das Verhalten des Betriebsrats gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verstößt. Dies soll in engen Ausnahmefällen dann angenommen werden können, wenn sich eine Betriebspartei auf eine formale Rechtsposition zurückzieht, die sie durch ein in erheblichem Maße eigenes betriebsverfassungswidriges Verhalten erlangt hat. Dies hat das Bundesarbeitsgericht vorliegend neben dem Verhalten des Betriebsrats insbesondere auch damit begründet, dass die Arbeitgeberin als Krankenhaus eine gesetzliche Verpflichtung zur Behandlung ihrer Patienten hatte.

  1. Praxistipp

Die Entscheidung zeigt, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats dort, wo sie formell bestehen, nicht grenzenlos gelten, sondern ihre Durchsetzung in engem Rahmen auch rechtsmissbräuchlich sein kann. Die Entscheidung ist damit trotz ihres Ausnahmecharakters zu bedenken, wenn ein Betriebsrat durch Verhinderungstaktik versucht, dem Arbeitgeber aktiv zu schaden und so z.B. Ansprüche durchzusetzen, die außerhalb des eigentlich streitigen Themenkomplexes liegen.

Tobias Löser

Rechtsanwalt

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