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Die Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

27.09.2023

BLUEDEX Fachkräfte

Die Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

In zwei Monaten tritt die erste Welle der Änderungen zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein sogenanntes Mantelgesetz aus dem Jahr 2020 und hat das Aufenthaltsgesetz, die Beschäftigungs- und die Aufenthaltsverordnung angepasst und geändert. Die Änderungen sollen dazu führen, dass mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Deutschland kommen und hier eingesetzt werden können. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick darüber, wann die Neuerungen in Kraft treten, was die neusten Änderungen zur Blauen Karte EU unter anderem enthalten und was der Arbeitgeber weiterhin beachten muss.

Zeitlich gestaffelte Neuerungen

18. November 2023: Bei den Erleichterungen und Erweiterungen zur Blauen Karte EU geht der Gesetzgeber größtenteils seinen Verpflichtungen aus der Hochqualifizierten Richtlinie (EU) 2021/1883 nach. Darin wurde festgestellt, dass sich „Europa am globalen Wettlauf um Talente“ beteiligen muss, wenn es attraktiv für internationale Fachkräfte bleiben will. Die Richtlinie gilt seit 17.11.2021. Damit blieben dem deutschen Gesetzgeber genau zwei Jahre, um die europäischen Vorgaben umzusetzen, ohne sich einem Risiko eines Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 260 Abs. 3 AEUV auszusetzen. Neben Deutschland setzen Belgien, Tschechien, Spanien, Frankreich, Lettland, Österreich und Portugal Maßnahmen zu den europäischen Vorgaben um. Diese Harmonisierung ist aufgrund der Neuregelungen zur EU-Mobilität von Inhabern einer Blauen Karte EU besonders positiv.

1. März 2024: Die Neuerungen ab März nächsten Jahres enthalten verschiedene Schwerpunkte.
Zum einen sollen Aufenthaltstitel eingeführt werden, die die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen im Inland ermöglichen. Darunter, unter anderem die sogenannte Anerkennungspartnerschaft. Wie diese im konkreten Fall aussieht, wird in einem kommenden Blogbeitrag anhand einer ausländischen Pflegequalifikation erklärt.

Zum anderen wird es auch Sonderregelungen für Fach- und Arbeitskräfte mit berufspraktischer Erfahrung geben, die über keinen in Deutschland anerkannten Bildungsabschluss verfügen. Durch die zeitliche Lücke zu den ersten Änderungen soll der Migrationsverwaltung die Chance gegeben werden, die erweiterten Kompetenzen auch in die Praxis umsetzen zu können.

Außerdem werden unter anderem die Beschäftigungsmöglichkeiten der Ausländer mit Aufenthaltstiteln zu Ausbildungszwecken erweitert und der Zweckwechsel zwischen verschiedenen Aufenthaltszwecken erleichtert.

Ab Juni 2024: Das neue Punktesystem der Chancenkarte braucht zur Implementierung bei den (zentralen) Ausländerbehörden am meisten Zeit und wird daher erst neun Monate nach dem in Kraft treten des Gesetzes und der Verordnung eingeführt. Diese „flexible“ Möglichkeit zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland ist durch die Darstellung 436 verschiedener Kombinationsmöglichkeiten die größte Herausforderung für die Migrationsverwaltung.

Änderungen ab 18. November 2023

1. Hochqualifizierte, IT-Spezialisten und Berufsanfänger, Absolventen tertiärer Bildungsprogramme

Die Kernelemente der Blauen Karte EU sind das Mindestgehalt und der inländisch anerkannte akademische Bildungsabschluss. Bei beiden Elementen werden die Anforderungen heruntergeschraubt. Ab Mitte November 2023 hat zum Beispiel auch ein erfahrener IT-Spezialist einen Anspruch auf eine Blaue Karte EU, wenn er Nachweise darüber erbringen kann innerhalb der letzten sieben Jahre mindestens drei Jahre als Fachkraft in der Informations- und Kommunikationstechnologie gearbeitet zu haben. Außerdem wird es Absolventen tertiärer Bildungsprogramme, dessen Abschluss einem Hochschulabschluss gleichwertig ist und mind. drei Jahre Ausbildungsdauer enthalten, ermöglicht eine Blaue Karte EU zu beantragen, z.B. bei:

  • Fachschulen, z.B. Technikerausbildung, Betriebswirt/-in, Fachwirt/-in
  • Meisterausbildung
  • Ausbildungsstätten/Schulen für Erzieher/-innen

Es wird dabeibleiben, dass zwei Gehaltsschwellen für Regel- und Engpassberufe festgesetzt werden. Allerdings wird es Berufsanfängerinnen und -anfängern ermöglicht, in jeglichen Berufen die Blaue Karte EU zu erhalten, wenn sie die niedrigere Gehaltsschwelle der Engpassberufe von 45,3 % (im Jahr 2023: 39.682,80 Euro) der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze zur allgemeinen Rentenversicherung erreichen. Die Anwärter einer Blauen Karte EU von Regelberufen, dessen Erlangung des Hochschulabschlusses schon länger als drei Jahre zurückliegt, müssen ein Mindestgehalt von 50 % (im Jahr 2023: rund 43.800 Euro) der genannten Beitragsbemessungsgrenze erreichen. Zuvor betrug diese Einkommensgrenze ca. 15.000 Euro mehr.

Die Engpassberufe werden erweitert und im Gesetz verschiedenen Gruppen zugeordnet, die einer EU-Kommissionsempfehlung für Standardklassifikationen entspringen (ISCO-08). Hierzu zählen etwa:

  • Führungskräfte in der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie
  • Führungskräfte in der Erbringung von speziellen Dienstleistungen, wie zum Beispiel in der Kinderbetreuung oder im Gesundheitswesen
  • Tierärztinnen und Tierärzte
  • Zahnärztinnen und Zahnärzte
  • Apothekerinnen und Apotheker
  • Akademische und vergleichbare Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte
  • Lehr- und Erziehungskräfte im schulischen und außerschulischen Bereich

Diese gehören nur teilweise zu den Profiteuren der Gesetzesnovelle, da es unter anderem Angehörige der sogenannten reglementierten Berufe sind. Darunter: Apotheker, Ärzte, Lehrer und Erzieher. Für deren Einsatz braucht es in Deutschland eine Berufsausübungserlaubnis, die aufgrund der hohen Anforderungen an Sprachkenntnissen und original darzulegenden Nachweisen, eine große Hürde darstellt.

2. Hinweis für den Arbeitgeber

Die Prüfungsvoraussetzung der sogenannten „Befähigung“, also die Verbindung zwischen dem Berufsausbildungsschwerpunkt und der konkreten Tätigkeit im Job, wird wegfallen. Damit wird es dem Arbeitgeber überlassen, ob der Einsatz der Fachkraft auf die Stelle passt. Trotzdem muss es sich weiterhin um eine „qualifizierte Beschäftigung“ handeln. Eine qualifizierte Beschäftigung liegt nach § 2 Nr. 12b AufenthG vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden. Das heißt, dass ein Bachelor/Masterabsolvent beispielsweise nicht auf einem Posten eingesetzt werden darf, der normalerweise mit einer ungelernten Arbeitskraft oder einer Person mit unqualifizierter Berufsausbildung besetzt wird.