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Gestiegene Energiepreise – Eine Rückkehr der Kurzarbeit?

15.04.2023

BLUEDEX Energiepreise

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist das Kurzarbeitergeld (kurz KUG) kein unbekanntes Instrument der Verhinderung des betriebsbedingten Verlustes von Arbeitsplätzen mehr. Während die Bundesagentur für Arbeit während der Corona-Pandemie geradezu mit Kurzarbeitergeld um sich warf, scheint es die Notwendigkeit eines korrigierenden Eingreifens in den Arbeitsmarkt in Zeiten teurer Energie nicht mehr zu sehen.

Viele Verbraucher und vor allem energieintensive Unternehmen ächzen unter den gestiegenen Energiekosten. So hat sich der Preis für Elektrizität in manchen Regionen verfünffacht, der Preis für Erdgas liegt sogar noch um ein Vielfaches höher. Obgleich sich die Energiepreise in letzter Zeit wieder etwas normalisiert haben, rangiert der Preis für Strom, Gas und Benzin auf einem Allzeithoch. Besonders beachtlich war zudem die Geschwindigkeit, in der die Preise in die Höhe schnellten. Viele Unternehmen waren daher gezwungen, die Kosten, die in der Regel aufgrund bestehender Verträge mit Kunden nicht eins zu eins weitergegeben werden konnten, auf anderem Wege einzusparen. Doch wer mit dem Gedanken spielte, seine Mitarbeiter aufgrund der hohen Energiepreise in Kurzarbeit zu schicken, wurde von der Bundesagentur für Arbeit sogleich enttäuscht. In den allgemeinen Informationen gibt die Bundesagentur für Arbeit folgende Auskunft:

„Eine Gewährung von Kurzarbeitergeld ausschließlich wegen aktuellen Preissteigerungen, insbesondere beim Gas und anderen Energieträgern, ist nicht möglich. Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn der eingetretene Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Preissteigerungen stellen kein unabwendbares Ereignis im Sinne des Kurzarbeitergeldes dar, da es sich hierbei um ein übliches, allgemeines Marktrisiko handelt.“

Es stellt sich jedoch die Frage, ob es sich bei dieser Auskunft um eine nachhaltig recherchierte Beantwortung einer Rechtsfrage oder um eine Abschreckung all derjenigen handelt, die mit dem Gedanken der Beantragung von KUG gespielt hatten.

So wird ein „unabwendbares Ereignis“ jedoch definiert als „jedes objektiv feststellbare Ereignis, d.h. ein plötzliches, zeitlich abgegrenztes Geschehen und kein langfristiger, sich entwickelnder Trend, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt durch den Arbeitgeber oder seine Mitarbeiter nicht abzuwenden war“.

Darüber besteht die Möglichkeit, aufgrund einer „wirtschaftliche Ursache“ KUG zu beantragen. So werden von diesem Begriff grundsätzlich eher durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen erfasst, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt wird. Jedoch können zu diesem Begriff auch die wirtschaftlichen Auswirkungen politischer Entscheidungen gehören (BSG, Urt. v. 15.12.2005 – B 7 a AL 10/05R).

Die Bundesagentur für Arbeit greift mit ihrer Begründung daher zu kurz. Die sich schlagartig geänderte Energiepolitik der europäischen Staaten gegenüber Russland aufgrund des Kriegs in der Ukraine stellt in der Tat ein solches „unabwendbares Ereignis“ dar und kann darüber hinaus auch im Kontext einer „wirtschaftlichen Ursache“ gesehen werden. Anerkannt sind in solchen Zusammenhängen vor allem Naturkatastrophen, auf die der einzelne Arbeitgeber keinen Einfluss hat. Freilich ist die Situation eine Unbekannte, die Corona-Pandemie war es ebenso. Vor dem Hintergrund der politischen Entscheidung der Bundesregierung, keine Energie mehr aus Russland zu beziehen, stellt sich die Situation aber nicht anders dar, als wenn die Entscheidungsträger einen Lockdown verhängen, der eine wirtschaftliche Betätigung erheblich erschwert. Die Reduzierung der Energiequellen gepaart mit der erhöhten Aktivität der Bundesnetzagentur an den Energiebörsen hat dazu geführt, dass eine „normale“ Marktaktivität nicht mehr möglich war. Es wäre daher deutlich zu kurz gegriffen, die Preissteigerung auf ein übliches, allgemeines Marktrisiko zurückzuführen.

Ein Einlenken der Bundesagentur für Arbeit ist in diesem Fall nicht zu erwarten. Die einzige Möglichkeit der Durchsetzung der Ansprüche auf Kurzarbeitergeld ist der Weg vor die Sozialgerichte. Voraussetzung dafür sind allerdings wirksam gestellte Anträge auf Gewährung von Kurzarbeitergeld, die an strenge Fristen gebunden sind. Aufgrund der politischen Tragweite einer solchen Entscheidung handelt es sich bei den vorliegenden Rechtsfragen durchaus um solche, die vor einem Bundesgericht verhandelt werden könnten.