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2021/02: Grenzkontrollen an der Grenze zur Tschechischen Republik und Teilen Österreichs

15.02.2021

Mit zwei Pressemitteilungen vom 12.02.2021 (abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/02/grenzkontrollen-tch-aut.html) und 14.02.2021 (abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/02/grenzkontrollen-pendler.html) hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (im Weiteren: BMI) angekündigt, dass Deutschland mit Wirkung zum 14.02.2021, 00:00 Uhr, an folgenden Landgrenzen wieder Grenzkontrollen einführt:

  • an den Grenzen zur gesamten Tschechischen Republik sowie
  • in Bezug auf Österreich, jedoch beschränkt auf die Grenzen zum österreichischen Bundesland Tirol (mit Ausnahme des politischen Bezirks Lienz, der Gemeinde Jungholz sowie des Rißtals im Gemeindegebiet von Vomp und Eben am Achensee).

Hintergrund dieser Maßnahmen ist, dass die genannten Regionen ab dem 12.02.2021 durch das BMI, das Bundesministerium für Gesundheit (im Weiteren: BMG) und das Auswärtige Amt jeweils als sog. Virusvarianten-Gebiet ausgewiesen worden sind (vgl. dazu die Webseite des RKI, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html).

Gleiches gilt auch für die Slowakei, ohne dass jedoch Grenzkontrollen für Einreisende aus der Slowakei bisher eingeführt worden sind, wenn diese auf dem Luftweg nach Deutschland einreisen.

In Widerspruch zu den Pressemitteilungen des BMI stehen die Informationen der EU-Kommission, der die temporären Grenzkontrollen an Binnengrenzen mitzuteilen sind (sog. Notifikation, vgl. unter folgendem Link: https://ec.europa.eu/home-affairs/what-we-do/policies/borders-and-visas/schengen/reintroduction-border-control_en).

Dort wird von Grenzkontrollen zur Tschechischen Republik auch auf dem Luftweg gesprochen; für Österreich wird ausschließlich nur von eingeführten Grenzkontrollen auf dem Luftweg gesprochen und dies ohne regionale Differenzierung (auf Tirol als Bundesland bezogen, etc.). Die bereits eingeführten Grenzkontrollen zuvor an Landgrenzen zu Österreich, die bis zum 11.05.2021 gelten, waren nicht auf die Infektionsgefahr mit SARS-CoV-2 sowie der Gefahr von Erkrankungen an COVID-19 begründet worden.

I. Differenzierung zwischen „Grenzkontrolle“ und „Einreisebeschränkungen“

Die Landgrenzen zur Tschechischen Republik und Österreich sind im Kontext des europäischen Rechts sog. Binnengrenzen (s. dazu Art. 2 Nr. 1 Buchst. a des sog. Schengener Grenzkodex – SGK). Dazu enthält Art. 22 SGK den Grundsatz, dass Grenzkontrollen an Binnengrenzen grundsätzlich nicht stattfinden und Reisende die Grenze an jeder Stelle überschreiten dürften.

Allerdings – und darauf wurde bereits im März 2020 Bezug genommen – lässt Art. 28 Abs. 1 SGK ohne die Vorlauffrist des Art. 27 Abs. 1 SGK eine sofortige (Wieder-)Einführung von Grenzkontrollen zu.

Derartige Grenzkontrolle müssen durch eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit gerechtfertigt und dürfen zunächst 10 Tage nicht überschreiten (Art. 28 Abs. 1 SGK). Sie sind jedoch jeweils um 20 Tage verlängerbar (Art. 28 Abs. 3 SGK) mit einer maximalen Höchstgrenze von 2 Monaten (Art. 28 Abs. 4 SGK).

Allerdings ist der Schutz der öffentlichen Gesundheit i.S.d. Art. 2 Nr. 21 SGK nicht in Art. 25 Abs. 1 SGK genannt, so dass Deutschland eine hohe Argumentationslast trifft, weshalb eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung vorläge.

Die sog. Coronavirus-Einreiseverordnung vom 13.01.2021 des BMG, die für Einreisende aus Virusvarianten-Gebieten mit § 3 Test- und Nachweispflichten vorsieht, könnte zwar Gegenstand des Schutzes der öffentlichen Ordnung sein. Allerdings müsste dann die Faktenlage den Schluss zulassen, dass die auf dem Landweg einreisenden Personen die Test- und Nachweispflicht von § 3 Abs. 2 und 3 regelmäßig nicht erfüllen würden; Gleiche Argumentation wäre in Bezug auf die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen möglich, die eine Quarantänepflicht nach Einreise begründen.

Dazu äußert sich die Pressemitteilung vom 12.02.2021 nicht, sondern nimmt nur Bezug auf die Klassifizierung der Regionen als Virusvarianten-Gebiete.

Eine Grenzkontrolle bedeutet – bereits umgangssprachlich – kein Verbot oder keine Beschränkung der Einreise, sondern zunächst nur die Kontrolle. Dies macht im Schengener Grenzkodex auch Art. 32 SGK klar, wonach Einreiseverweigerungen (so der amtliche Terminus) bei eingeführten Grenzkontrollen an Binnengrenzen wie bei Einreisen über Außengrenzen möglich sind (Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 SGK).

II. Möglichkeiten individueller „Einreiseverweigerungen“

Dabei ist zu beachten, dass Ausländer mit europäischen Freizügigkeitsrechten nach Art. 3 Buchst. a SGK überhaupt nicht den Regelungen des Schengener Grenzkodex unterworfen werden dürfen. Vielmehr sind Einreiseverweigerungen in Einzelfällen für Ausländer dieser Personengruppe nur nach § 6 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU möglich.

Dafür müssen sie als Person eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen oder aber durch ihr Verhalten für die öffentliche Ordnung. Für Letzteres sind die Bedenken die gleichen, die bereits gegen die Zulässigkeit von Grenzkontrollen sprechen.

Eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dürfte wegen der Einreise aus einem Virusvarianten-Gebiet eine nicht offensichtlich unzulässige Wertung sein, allerdings sieht § 3 Abs. 2 der Coronavirus-Einreiseverordnung gerade eine (Negativ-)Testung vor Einreise auf SARS-CoV-2 vor.

Durch die Einführung der Grenzkontrollen eröffnet das BMI faktisch die Möglichkeit, dass auch für diese Einreisen auf dem Landweg, die typischerweise nicht unter Nutzung eines kommerziellen Beförderungsunternehmen erfolgt, eine Kontrolle der Einhaltung der Testpflicht und des Nachweises darüber durchzuführen (§ 3 Abs. 2 S. 2 Coronavirus-Einreiseverordnung).

„Einreisebeschränkungen“ mit besonderen, ausgenommenen Szenarien kennt das FreizügG/EU nicht und auch nicht die sog. Freizügigkeits-Richtlinie (Nr. 2004/38/EG), welche das FreizügG/EU umsetzen soll.

Es handelt sich vielmehr allein um ein vom BMI eingesetztes Mittel der Verhaltenssteuerung, indem außerhalb der räumlich-zeitlichen Situation einer konkreten Einreiseverweigerung ausgeführt wird, wann mit einer solchen zu rechnen wäre.

Mithin geht es um eine vorweggenommene Verhaltenssteuerung, die in den verwaltungsrechtlichen Kategorien diffus erscheint und damit auch die Frage, welche Rechtsbehelfe bestehen und wann bzw. wogegen diese eingesetzt werden können.

III. Ausgenommene Kategorien

Für Fälle internationaler Mitarbeitereinsätze sind vor allem folgende Ausnahmen interessant, in denen keine Einreiseverweigerung erfolgen soll:

  • Einreise von deutschen Staatsangehörigen sowie Mitgliedern der Kernfamilie (d.h. Ehegatten, gleichgeschlechtliche Lebenspartner und minderjährige ledige Kinder) von deutschen Staatsangehörigen aus Drittstaaten, falls diese mit dem deutschen Staatsangehörigen gemeinsam einreisen;
  • Einreise von Personen unabhängig von deren Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz und Aufenthaltsrecht in Deutschland (z.B. drittstaatsangehöriger Ausländer mit einer Blauen Karte EU für Deutschland oder mit einem entsprechenden Visum);
  • Einreise von Personal im Gütertransport und sonstiges erforderliches Transportpersonal;
  • Einreise von Gesundheitspersonal (Ärzte und Kranken- sowie Altenpfleger) sowie notwendiges Begleitpersonal für Ambulanzflüge und Transportflüge von Transplantationsorganen.

Diese Fallgestaltungen aus der Pressemitteilung vom 12.02.2021 sind am 14.02.2021 durch die weitere Pressemitteilung erweitert worden:

  • bis zum Ablauf einer Übergangsfrist zum 17.02.2021 der Nachweis einer Beschäftigung mit „Systemrelevanz“ und dies auch als Grenzgänger oder entsandter Arbeitnehmer;
  • ab dem 17.02.2021 Nachweis der Beschäftigung in einem Betrieb, die die zuständigen Landesbehörden in Bayern und Sachsen (als Anrainer-Bundesländer) als „systemrelevant“ bestimmt haben und für die eine entsprechende Bescheinigung erteilt wurde.

Dreh- und Angelpunkt für beides ist die Mitteilung der EU-Kommission „Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs (2020/C 102 I/03, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020XC0330%2803%29). Unter der dortigen Ziff. 2 sind Beschäftigungen mit „Systemrelevanz“ näher beschrieben worden.

Dr. Sebastian Klaus

Rechtsanwalt

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