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Grundlagen des Streikrechts rechtliche Instrumente und Rechtsschutzmöglichkeiten für Arbeitgeber

26.03.2024

BLUEDEX

Schon wieder Streik? Ist das überhaupt zulässig? Und was tun als Arbeitgeber?

In der vergangenen Woche scheiterte die Deutsche Bahn AG mit ihrer Berufung vor dem LAG Hessen (Beschl. v. 12.03.2024, Az. 10 GLa 229/24). Bereits am Tag zuvor hatte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen den von der GDL geplanten Streik abgelehnt. Damit ebneten die beiden Gerichte den Weg für die erneuten Arbeitskampfmaßnahmen der Bahnmitarbeitenden.

Nicht zum ersten Mal in diesem Jahr kam es zu Tarifkonflikten und Streikmaßnahmen und nicht nur die Deutsche Bahn ist betroffen, sondern auch weitere Unternehmen oder Einrichtungen der kritischen Infrastruktur, wie etwa im Luftverkehr oder Gesundheitswesen. In Hessen gab es in den ersten 12 Kalenderwochen im Jahr 2024 erst zwei Wochen, in denen keine Arbeitskampfmaßnahmen stattfanden. Die Auswirkungen auf die Allgemeinheit sowie auf die Arbeitgeber sind erheblich.

Aufgrund der aktuell erneut auflebenden Brisanz des Streikrechts sollen im Folgenden die Grundlagen des Streikrechts und die Reaktionsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen näher beleuchtet werden.

Grundlagen des Streikrechts

Das Streikrecht wird aus der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitet und ist damit ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht. Nach Art. 9 Abs. 3 GG ist das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Geprägt wurde dieses Recht zu einem Großteil durch Richterrecht. Die Rechtsprechung hat das Recht der Gewerkschaften, Arbeitskampfmaßnahmen zur Regelung von Arbeitsbedingungen zu ergreifen, als Ausprägung dieses Rechts anerkannt.

Wer darf sich überhaupt an der Arbeitskampfmaßnahme beteiligen?

Zur Teilnahme am Streik sind alle Beschäftigten im weitesten Sinne berechtigt, soweit sich der Streikaufruf der Gewerkschaft auf sie bezieht. Grundsätzlich muss ein Streik also gewerkschaftlich getragen sein. Daraus folgt aber nicht der Schluss, dass nicht-organisierte Arbeitnehmer an einem Streik nicht teilnehmen dürften. Aufgrund der kollektiven Auswirkungen des Abschlusses eines Tarifvertrags (häufig durch Inbezugnahmeklauseln) dürfen auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer streiken. Das BAG hält sogar das Bestreiken eines nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers für zulässig, etwa wenn das Streikziel auf den Abschluss eines Flächentarifvertrags gerichtet ist und der Firmentarifvertrag durch dynamische Bezugnahmeregelung mit dem angestrebten Flächentarifvertrag verknüpft ist. Beteiligen können sich (aus Solidarität) auch Arbeitnehmer, deren Arbeitspflicht z.B. wegen Krankheit ruht.

Unzulässig ist hingegen die Beteiligung des Betriebsrats an Arbeitskampfmaßnahmen (§ 74 Abs. 2 BetrVG). Allerdings wird auch hierbei differenziert. So darf etwa ein Arbeitnehmer, der Mitglied im Betriebsrat ist, am Streik teilnehmen, wenn er nicht in seiner Rolle als Betriebsrat, sondern als „bloßer“ Arbeitnehmer am Streik teilnimmt.

Welche Arbeitskampfmittel gibt es?

Unter den Arbeitskampfmaßnahmen werden verschiedene Formen unterschieden. Dabei kann zunächst zwischen Maßnahmen auf Arbeitgeberseite und solchen auf Arbeitnehmerseite differenziert werden.

Das bekannteste und wohl wichtigste Kampfmittel auf Arbeitnehmerseite ist insoweit der Streik, also die kollektive Arbeitsniederlegung unter der Führung der zuständigen Gewerkschaft mit dem Ziel des Abschlusses eines neuen Tarifvertrags. Es können dabei zum einen bestimmte Betriebe bestreikt werden. Denkbar ist jedoch auch, dass ausgewählte Regionen bestreikt werden, etwa zum Abschluss eines Flächentarifvertrags. Weiter in Betracht kommt die kollektive Geltendmachung von Vertragsrechten (Zurückbehaltungsrecht, Massenänderungskündigung) oder eine Betriebsbesetzung bzw. -blockade.

Durch das individuelle Streikrecht ist der Arbeitnehmer berechtigt, das Arbeitsverhältnis vorübergehend einseitig zu suspendieren: der Arbeitgeber verliert hierdurch seinen Anspruch auf die Arbeitsleistung, der Arbeitnehmer hingegen verliert für die Dauer der Arbeitskampfmaßnahme seinen Lohnanspruch.

Das wohl bekannteste Kampfmittel auf Seiten der Arbeitgeber ist die Aussperrung. Darunter versteht man die von vom Arbeitgeber planmäßig vorgenommene Nichtzulassung einer Mehrzahl von Arbeitnehmern zur Arbeit unter Verweigerung der Entgeltzahlung.

Darf eigentlich immer gestreikt werden? – Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks

Im Gegensatz zu den Regelungen in einigen europäischen Nachbarländern (etwa in Frankreich) ist in Deutschland nicht jeder Streik rechtmäßig. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes ist, dass dieser tarifbezogen ist, das Gebot der Kampfparität wahrt und insbesondere verhältnismäßig ist.

Unter Tarifbezug des Arbeitskampfs versteht man die gewerkschaftliche Kampfführung, d.h. eine tariffähige und tarifzuständige Gewerkschaft muss zum Streik aufrufen oder diesen nachträglich übernehmen. Fehlt es an der gewerkschaftlichen Kampfführung handelt es sich um einen sogenannten „wilden Streik“. Ein solcher ist nicht zulässig. Am Tarifbezug fehlt es auch, wenn die Arbeitskampfmaßnahme nicht den Abschluss eines zulässigen Tarifvertrags zum Ziel hat. Politisch getragene Arbeitskämpfe sind unzulässig. Gleiches gilt für einen Arbeitskampf, wenn dieser gegen die sogenannte Friedenspflicht verstößt. Diese Friedenspflicht gilt jedoch nur, während eines ungekündigt geltenden Tarifvertrages und für solche Inhalte, die bereits tariflich geregelt sind.

Die wohl wichtigste Beschränkung im Arbeitskampf ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) und dem Schutz des Kampfgegner bzw. unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit leitet die Rechtsprechung den sog. Ultima-ratio-Grundsatz her. Der Streik ist daher grundsätzlich nur als letztes Mittel zur Durchsetzung eines Tarifvertrags anerkannt. Im Grunde geht es darum, ob ein Kampfmittel bezogen auf ein bestimmtes Kampfziel geeignet, erforderlich und proportional bzw. angemessen eingesetzt wird. Gerade der letzte Punkt ist jedoch eine Wertungsfrage, bei der die widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Eine praktikable Faustformel gibt es hierfür nicht. Die Gerichte müssen daher in jedem Einzelfall neu entscheiden und sind dem Grunde nach darauf beschränkt, „typische“ Fälle zu erarbeiten, die zur Beurteilung herangezogen werden können.

Rechtliche Möglichkeiten für vom Streik betroffene Arbeitgeber

a. Streikbruchprämien
Für Arbeitgeber stellt sich immer wieder die Frage, ob und – wenn ja – wie sie der Streikbeteiligung ihrer Angestellten präventiv entgegenwirken können.

Zur Abwendung einer arbeitnehmerseitigen Arbeitskampfmaßnahme kommt insofern eine sog. „Streikbruchprämie“ in Betracht. Dabei zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Prämie für die Nichtteilnahme am Streik, um die Auswirkungen des Streiks durch die sinkende Teilnahme abzufangen.

b. Einstweilige Verfügung
Vor dem Hintergrund der regelmäßigen Dauer gerichtlicher Verfahren kann ein angekündigter Streik rechtzeitig praktisch einzig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, konkret mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verhindert werden.

Hierfür müssen die Arbeitgeber zunächst einen Verfügungs- bzw. Unterlassungsanspruch geltend machen. Ein solcher erfordert die Beeinträchtigung eines Rechtsguts. Bei Streikmaßnahmen wird insofern regelmäßig das Eigentum der Arbeitgeber oder deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen sein. Die Arbeitgeber müssen eine entsprechende Beeinträchtigung dieser Rechte in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft darlegen können.

Darüber hinaus muss die besondere Eilbedürftigkeit des Falles glaubhaft gemacht werden – denn nur in solchen Fällen wird das Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren entscheiden. Die Eilbedürftigkeit wird sich aber in vielen Fällen bereits aus der kurzen Ankündigungsfrist der Arbeitskampfmaßnahmen hinreichend begründen lassen.

Zu beachten ist jedoch, dass auf dem Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ausschließlich eine vorläufige, also keine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. Das Gericht wird also prüfen, ob durch die vorläufige Entscheidung keine Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erfolgt. Dies ist bei Streik- bzw. Arbeitskampfmaßnahmen besonders problematisch. Denn eine nur vorläufige Untersagung der Arbeitskampfmaßnahme wird einem vollständigen Verbot regelmäßig gleichstehen. Insbesondere die konkreten Verhandlungspositionen können hierdurch erheblich beeinflusst werden. Die Rechtsprechung stellt daher bislang strenge Anforderungen an die einstweilige Untersagung eines Streiks.

c. Schadensersatz
Erweist sich eine Arbeitskampmaßnahme als rechtswidrig, kommen Schadensersatzansprüche der Arbeitgeber in Betracht, insbesondere gegen die den Streik tragende Gewerkschaft. Auch hier wird das geschützte Rechtsgut in der Regel der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb sein. Als Schaden können die unmittelbar vom Streik betroffenen Arbeitgeber dann zumeist den durch den Arbeitskampf entgangenen Gewinn geltend machen. Die Darlegung des Schadens kann dabei mitunter Schwierigkeiten bereiten.

d. Weitere Maßnahmen
Bei rechtswidriger Aufnahme von Arbeitskampfmaßnahmen werden daran teilnehmende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig gegen ihre arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verstoßen. Hiergegen können Arbeitgeber mit disziplinarischen Maßnahmen, wie Abmahnungen, bis hin zu fristlosen Kündigungen reagieren.

Fazit

Arbeitskampfmaßnahmen unterstehen dem verfassungsrechtlichen Schutz und sind daher nur begrenzt einzuschränken. Arbeitgebern verbleiben dennoch eine Reihe von Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Der Erfolg der einzelnen Maßnahmen wird jedoch stets vom Einzelfall, insbesondere von der Intensität der Arbeitskampfmaßnahmen sowie der Verhandlungsbereitschaft beider Parteien, abhängen.