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Hinweisgeberschutzgesetz – Fluch oder Segen

08.08.2023

BLUEDEX Hinweisgeberschutz

Fluch oder Segen? – Das Hinweisgeberschutzgesetz

Geldbußen von bis zu 50.000, — €, ein Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden, Beweislastumkehr. Diese drastischen Neuerungen hält das am 02. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz bereit. Da die Rechtsfolgen vor allem Arbeitgeber treffen, zahlt sich eine offene Hinweisgeberkultur für diese aus. Gehen Arbeitgeber die neue Herausforderung offensiv und fachkundig an, entgehen sie nicht nur den dargelegten Folgen, sondern können hiervon sogar profitieren.

Errichtung einer Meldestelle

Die höchsten Kosten dürften dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Errichtung einer internen Meldestelle entstehen. Deren Entrichtung ist mit Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes am 02. Juli 2023 für Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitenden verpflichtend, ab dem 17. Dezember 2023 auch für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern. Gleichzeitig errichtet der Bund externe Meldestellen. Auch die Länder sind zur Errichtung eigener Meldestellen berechtigt. Dabei bleibt es den hinweisgebenden Personen überlassen, an welche dieser Meldestelle sie berichten möchten. Ein Vorrang interner Meldestellen besteht insoweit nicht.

Von Gesetzes wegen (§ 7 Abs. 3 HinSchG) sollen Beschäftigungsgeber allerdings Anreize dafür schaffen, dass sich hinweisgebende Personen, bevor sie sich an eine externe Meldestelle wenden, an die interne Meldestelle wenden. Diesen Auftrag sollten Arbeitgeber ernst nehmen. Denn er liegt in ihrem ureigenen Interesse. Solange Mitarbeiter ihre Meldungen bei der internen Meldestelle abgeben, können Arbeitgeber die Bearbeitung der Meldungen selbst beeinflussen. Liegt sie erst einmal bei einer externen Meldestelle, entzieht sich das weitere Vorgehen völlig ihrem Einflussbereich. Es ist daher ratsam, das Thema offensiv anzugehen, niedrigschwellige Angebote zu schaffen und Mitarbeiter zu motivieren, sich vorrangig an die interne Meldestelle zu wenden.

Dennoch sollten Arbeitgeber bei der Errichtung der internen Meldestelle Vorsicht walten lassen. Sie können hiermit eigene Mitarbeiter betrauen. Wählen sie diese Option, müssen sie die Unabhängigkeit des jeweiligen Mitarbeiters sicherstellen. Diese Mitarbeiter können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle auch andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, bei denen sie selbstverständlich der Weisungsbefugnis ihres Arbeitgebers unterworfen sind. In diesen Konstellationen kann es mitunter zu erheblichen Spannungen führen, weshalb dem Arbeitgeber zu raten ist, sich aus Angelegenheiten der Meldestelle vollends herauszuhalten und sorgfältig zu überlegen, welchen Mitarbeiter er mit dieser Funktion betraut.

Für Arbeitgeber kann es mitunter reizvoll sein, einen Dritten mit der Einrichtung einer internen Meldestelle zu betrauen. Wählt er diese Option, schlägt er mehrere Fliegen mit einer Klappe. Er ist dann nicht mehr Adressat der Bußgeldvorschriften, die mit der Errichtung einer Meldestelle in Zusammenhang stehen. Weiterhin gilt das Prinzip „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. Denn solange er gar nicht erst die Möglichkeit hat, die Identität der hinweisgebenden Person zu erfahren, kann er bspw. die Vertraulichkeit der Identität auch nicht verletzen. Einen Vorteil bietet diese Option dahingehend, dass die interne Meldestelle in diesem Fall mit höherer Wahrscheinlichkeit als wahrhaftig unabhängig wahrgenommen wird.

Wahrung der Vertraulichkeit

Ist die Meldestelle erst einmal errichtet, hat sie nach § 8 Abs. 1 HinSchG die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand der Meldungen sind sowie sonstige in der Meldung genannten Personen zu wahren. Es ist daher essenziell, vertrauenswürdige Mitarbeiter mit der Errichtung der Meldestelle zu betrauen. Denn wird die Vertraulichkeit der Person nicht gewahrt, führt dies neben einem möglichen Bußgeld zu einem Imageschaden, wodurch die interne Meldestelle weniger benutzt wird. Um solche Fälle zu vermeiden, kann es Abhilfe verschaffen, anonyme Meldungen zuzulassen.

Behinderung von Meldungen

Zudem normiert § 7 Abs. 2 HinSchG das Verbot, Meldungen oder die auf sie folgende Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und Meldestelle zu behindern. Dieses Verbot versteht sich im Grunde von selbst. Denn was ist eine Meldestelle wert, an die keine Meldungen abgeben werden können? Adressat dieses Verbots ist grundsätzlich jede Person, die eine andere an ihrer Kommunikation mit der Meldestelle hindert, d.h. einzelne Mitarbeiter, die Geschäftsführung etc. Um sich diesbezüglich gar nicht erst angreifbar zu machen, sollten Arbeitgeber proaktiv auf ihre interne Meldestelle aufmerksam machen und sich im Übrigen aus den Angelegenheiten der Meldestelle heraushalten.

Verbot von Repressalien

Doch damit ist es nicht getan. Auch nachdem eine Meldung abgegeben wurde, dürfen hinweisgebenden Personen aufgrund dessen keine Nachteile entstehen. Eine wichtige Rolle dürfte zukünftig das Repressalienverbot nach § 36 HinSchG einnehmen. Unter einer Repressalie versteht man jede Benachteiligung, im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Grundsätzlich fallen hierunter auch Kündigungen. Erleidet ein Arbeitnehmer eine Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und behauptet er, diese sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit erfolgt, obliegt es dem Arbeitgeber zu beweisen, dass andere Gründe ausschlaggebend waren. Dennoch kann aus dem Repressalienverbot kein erweiterter Kündigungsschutz abgeleitet werden. Das HinSchG sieht bei Verstößen gegen das Repressalienverbot auf der zivilrechtlichen Ebene lediglich Schadensersatzzahlungen und auf der öffentlich-rechtlichen Seite Bußgelder vor.

Ohnehin kann das Repressalienverbot nur im Bereich der Kündigungen in der Probezeit/Wartezeit oder außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG Wirkung entfalten. Denn im Anwendungsbereich des KSchG hat der Arbeitgeber so oder so das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nachzuweisen.

Offenlegen unrichtiger Informationen

Nach alldem ist allerdings zu betonen, dass das HinSchG Arbeitnehmern keinen Freifahrtschein zur Abgabe jedweder Meldung ausstellt. Dennoch werden Arbeitgeber vor falschen – und im Einzelfall imageschädigenden und wirtschaftlich nachteiligen – Informationen nur in geringem Maße geschützt. Bußgeldbewehrt ist nur die wissentliche Abgabe unrichtiger Informationen, das bedeutet die hinweisgebende Person muss vorsätzlich handeln. Der Nachweis dürfte nur schwer zu führen sein. Immerhin ergibt sich ein Schadensersatzanspruch in diesen Fällen auch bei grob fahrlässiger Falschmeldung.

Fazit

Das HinSchG fordert Arbeitgeber in einem hohen Maße heraus. Um mitunter hohen Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen zu entgehen, ist die Befolgung der Vorschriften des HinSchG unerlässlich. Arbeitgebern bieten sich allerdings auch Chancen dergestalt, dass Hinweise bei ihr kanalisiert werden und sie bei Eingang bei der internen Meldestelle das weitere Vorgehen selbst in der Hand hat.

Isaak Schumann

Rechtsanwalt

info@BLUEDEX.de