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LAG Hamm: Wirksamkeit einer Kündigungsregelung im Rahmen einer Home-Office-Vereinbarung

24.07.2023

BLUEDEX

Gute Nachricht für Arbeitgeber: Das LAG Hamm bestätigt die Wirksamkeit einer Kündigungsregelung im Rahmen einer Home-Office-Vereinbarung

Die Erbringung der Arbeitsleistung aus den eigenen vier Wänden ist spätestens seit der Corona-Pandemie für viele Arbeitnehmer nicht mehr wegzudenken. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm, Aktenzeichen 18 Sa 832/22, lässt Arbeitgeber nun auch nach dem Wegfall der behördlichen Schutzmaßnahmen aufhorchen. Die Entscheidung vom 16. März 2023 befasst sich mit der Frage, ob eine arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung über Home-Office vom Arbeitgeber wirksam gekündigt werden kann. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zulässig ist, wenn dem Kündigenden das Recht dazu eingeräumt wurde und die streitgegenständliche Vereinbarung nicht eine vertraglich vorgesehene Leistung betrifft.

I. Der Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin, ein Software-Unternehmen, hatte mit dem seit Februar 2017 als Sales Account Manager beschäftigten Kläger im November 2016 eine schriftliche „Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Home-Office“ abgeschlossen. Diese legte fest, dass der Kläger im Wesentlichen aus der eigenen Wohnung heraus arbeitet, bei entsprechendem Arbeitsbedarf jedoch verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung auch in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin zu erbringen. Die Vereinbarung sah unter „§ 7 – Beendigung der häuslichen Arbeit“ vor:

„Diese Vereinbarung endet spätestens mit dem Ende des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitsvertrags vom 28.11.2016 sofern sie nicht vorher durch eine der Parteien gekündigt wird. Die Kündigung dieser Vereinbarung bedarf der Schriftform und muss unter Einhaltung einer Frist von einem Monat ausgesprochen werden. Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet die häusliche Arbeit, so dass der Mitarbeiter verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in den Unternehmensräumen zu erbringen.“

Die Arbeitgeberin kündigte die Zusatzvereinbarung am 28. Januar 2022 zum 1. April 2022. Hiergegen wehrte sich der Arbeitnehmer, der der Ansicht war, es handele sich bei den Bestimmungen der Zusatzvereinbarung um von der Arbeitgeberin vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Der Kündigungsvorbehalt stelle einen Verstoß gegen das Transparenzgebot sowie eine Umgehung des Kündigungsschutzes dar und sei damit unwirksam. Zudem entspreche der vorgesehene Einsatz am Sitz der Beklagten nicht billigem Ermessen. Der Arbeitnehmer erhob Klage auf Feststellung, dass ihm der durch die Teilkündigung entzogene Anspruch, im Home-Office zu arbeiten, weiterhin zustehe. Das Arbeitsgericht Rheine in erster Instanz entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers. Anders entschied jedoch das LAG Hamm, welches auf die Berufung der Beklagten die Entscheidung abänderte und die Feststellungsklage abwies.

II. Die Entscheidung des LAG Hamm

Das LAG stellte zunächst klar, dass die einseitige Änderung von Vertragsbestandteilen gegen den Willen des Vertragspartners nicht erfolgen könne und eine Teilkündigung, welche nur einzelne Vereinbarungen des Arbeitsvertrages betrifft, nicht zulässig sei. Etwas anderes gelte aber dann, wenn – wie im vorliegenden Fall in dem oben zitierten § 7 der Zusatzvereinbarung geschehen – dem Kündigenden das Recht zur Teilkündigung eingeräumt wird. Mit der getroffenen Vereinbarung über das Teilkündigungsrecht werde nämlich die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des (anderen) Vertragspartners durchgesetzt.

Nach Ansicht des Gerichts wurde durch die Abrede über eine besondere Kündbarkeit der Home-Office-Vereinbarung auch kein zwingender Kündigungsschutz umgangen, da die wechselseitigen Pflichten des Arbeitsverhältnisses nicht tangiert wurden. Vielmehr ging es lediglich darum, ob und unter welchen Bedingungen der Kläger seine Arbeitsleistung von seiner Wohnung aus erbringen darf (sog. „Erfüllungsmodalität“). Die Vereinbarung über den Home-Office-Arbeitsplatz betreffe lediglich den Ort der Arbeitsleistung, der ohnehin vom Direktionsrecht der Arbeitgeberin gem. § 106 S. 1 GewO umfasst sei. Der Ort der Arbeitsleistung sei vom Kündigungsschutz(gesetz), insbesondere den §§ 1, 2 KSchG, nicht besonders geschützt.

Nach dem LAG Hamm ist die Wirksamkeit des Kündigungsvorbehalts auch unter AGB-rechtlichen Kriterien nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Rheine in der ersten Instanz urteilte das LAG, dass keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt. Eine solche liege nur dann vor, wenn ein rechtlich anerkanntes Interesse des Arbeitnehmers unangemessen beeinträchtigt wird, ohne dass dies durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Nach dem LAG wird die vereinbarte Teilkündbarkeit der Zusatzvereinbarung den Interessen beider Vertragsparteien gerecht. Zudem habe der Arbeitnehmer nie ein Recht auf ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice gehabt.

III. Praxisrelevanz der Entscheidung

Die Entscheidung ist aus Arbeitgebersicht sehr zu begrüßen. In einer schnelllebigen und von modernen Arbeitsformen geprägten Arbeitswelt sind Anpassungsmöglichkeiten der Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unverzichtbar. Der Entscheidung des LAG Hamm, dass Kündigungsvorbehalte in Home-Office-Vereinbarungen grundsätzlich wirksam vereinbart werden können, ist deshalb zuzustimmen. Arbeitgeber profitieren dadurch von mehr Rechtssicherheit bei der Vertragsgestaltung und können flexibel auf Erfordernisse des Betriebes reagieren, ohne auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen zur Kündigung der Vereinbarung angewiesen zu sein. Arbeitnehmer haben den Vorteil, dass Arbeitgeber aufgrund der Kündigungsmöglichkeit häufiger bereit sein werden, alternative Arbeitsmodelle anzubieten.

Arbeitgeber sind generell gut beraten, Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag stets mit einer expliziten Kündigungsmöglichkeit zu versehen. Die Wirksamkeit einer solchen Klausel dürfte unter Berücksichtigung der Entscheidung des LAG Hamm jedenfalls dann gegeben sein, wenn die geregelten Inhalte nicht den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betreffen. Wann dies der Fall ist, hängt immer vom konkreten Sachverhalt ab. Die hier thematisierte Entscheidung des LAG Hamm stellt lediglich eine Einzelfallentscheidung dar, deren Ergebnis deshalb nicht „blind“ auf jede Zusatzvereinbarung übertragen werden sollte.

Wie so häufig, spielt die genaue Formulierung eine bedeutende Rolle, sodass darauf bei der Kündigungsregelung ein besonderes Augenmerk zu legen ist, um nicht die Unwirksamkeit der Klausel bei gerichtlicher Überprüfung zu riskieren.

Felix Müller

Rechtsanwalt

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