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Rechtswirksame Zustellung einer Kündigung

22.12.2019

  1. Die Entscheidung

Das BAG hat mit Urteil vom 22. August 2019 (2 AZR 111/19) entschieden, dass es für den Zugang einer Kündigung bei Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers und den Zeitpunkt der Leerung des Briefkastens auf die Verkehrsanschauung am jeweiligen Zustellungsort ankommt.

  1. Hintergrund

Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse bestand Streit über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger, der in Frankreich wohnt, war langjährig bei der Beklagten in deren Werk in Baden-Württemberg (Deutschland) beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 27.01.2017 (Freitag) außerordentlich fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde an diesem Tag von Mitarbeitern der Beklagten gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Die Postzustellung im Wohnort des Klägers ist bis gegen 11:00 Uhr vormittags beendet.

Mit seiner am 20.02.2017 (Montag) beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend. Zur Begründung führte er an, er habe das Kündigungsschreiben erst am 30.01.2017 (Montag) in seinem Hausbriefkasten vorgefunden. Dieses sei ihm nicht am 27.01.2017, sondern frühestens am Folgetag zugegangen.

Nach dem Urteil des BAG geht eine verkörperte Willenserklärung (und damit eine Kündigung) unter Abwesenden zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, sei nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirke der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei sei nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit sei vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Die Frage nach einer Verkehrsanschauung könne regional unterschiedlich zu beurteilen sein und die Antwort könne sich im Lauf der Jahre ändern.

Demnach sei es Aufgabe des Berufungsgerichts festzustellen, wann nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme des am 27.01.2017 gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten eingeworfenen Briefs am Wohnort des Klägers zu rechnen war.

  1. Praxistipp

Nach dem BAG kommt es für den Zugang der Kündigung auf die Verkehrsanschauung am jeweiligen Zustellungsort an. Vor diesem Hintergrund der jeweiligen „örtlichen Gepflogenheiten“ ist Arbeitgebern anzuraten, die Kündigung nicht am letztmöglichen Tag dem Arbeitnehmer zuzustellen, um insbesondere Diskussionen über den Zeitpunkt des Zugangs zu vermeiden. Denn für den (rechtzeitigen) Zugang trägt in diesem Fall der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.

Felix Müller

Rechtsanwalt

info@BLUEDEX.de