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Versetzung von Arbeitnehmern ins Ausland – Direktionsrecht des Arbeitgebers

07.09.2023

BLUEDEX

In Zeiten zunehmender Globalisierung und Flexibilisierung der Unternehmensstrukturen steht häufig die Frage im Raum, ob ein Arbeitnehmer auch ins Ausland versetzt werden kann. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn das Unternehmen Standorte in einem Land aus strategischen Gründen aufgeben muss, das Know-How der dort tätigen Mitarbeiter aber nicht einfach aus der Hand geben will.

Dieser Beitrag soll eine relevante Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. November 2022 (Az. 5 AZR 336/21) beleuchten und praxisrelevante Tipps zur Umsetzung einer nicht auf Deutschland beschränkten Versetzungsmöglichkeit für Ihre Mitarbeiter geben.

I. Sachverhalt

Das Gericht hatte über die Rechtmäßigkeit der Versetzung des Klägers, eines Piloten, von seinem Stationierungsort Nürnberg nach Bologna in Italien zu entscheiden, nachdem der Stationierungsort Nürnberg in Folge einer Rationalisierungsmaßnahme aufgegeben wurde.

Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt eine Klausel, nach der es der Arbeitgeberin, der internationalen Fluggesellschaft Ryanair, zustand, den Kläger an einen anderen Ort zu versetzen, an dem die Fluggesellschaft ebenfalls eine sog. „Homebase“ unterhält. In der Klausel wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bereitschaft zur Tätigkeit im Ausland Voraussetzung für die Einstellung gewesen sei.

Anfang November 2019 vereinbarte die Arbeitgeberin mit der Pilotenvereinigung Cockpit einen Tarifsozialplan, der u.a. auch die Stilllegung oder Einschränkung einiger Stationierungsorte festlegte. Darunter fiel auch der Stationierungsort des Klägers in Nürnberg. Nachdem der Kläger sich weigerte, freiwillig an einen anderen Stationierungsort zu wechseln, versetzte die Arbeitgeberin diesen an die Homebase an den Flughafen in Bologna. Hilfsweise sprach die Arbeitgeberin eine Änderungskündigung aus.

Der Kläger wehrte sich gegen die Versetzung sowie gegen die Änderungskündigung. Er war der Ansicht, dass das Weisungsrecht der Arbeitgeberin nur die Bundesrepublik Deutschland umfasse. Zudem sei die Weisung unbillig, da ihm durch die Versetzung sein tariflicher Vergütungsanspruch entgehe.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage des Piloten ab.

II. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision des Klägers zurück und bestätigte somit das Urteil des Landesarbeitsgerichts. Die Arbeitgeberin durfte den Piloten kraft ihres Weisungsrechts auch ins Ausland versetzen.

Nach § 106 GewO kann die Arbeitgeberin grundsätzlich Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmten, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung oder des anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzlicher Vorschrift geregelt sind. Ist der Arbeitsort im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt, sondern nur „hauptsächlich“ aber nicht ausschließlich einer bestimmten Örtlichkeit zugewiesen, ist die Arbeitgeberin befugt, den Arbeitsort auch dann zu ändern, wenn sie ihr Direktionsrecht auch über einen längeren Zeitraum nicht genutzt hat. Nur wenn besondere Umstände dazukommen, kann ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden, der eine vertragliche Beschränkung des Direktionsrecht auslöst. Fehlt es an einer abschließenden Festlegung des Arbeitsorts, kann diesen die Arbeitgeberin grundsätzlich aufgrund ihres Direktionsrechts bestimmen.

Sofern die möglichen Arbeitsorte durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften nicht auf das Inland begrenzt sind, kann die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer auch einen anderen Arbeitsplatz in einer Betriebsstätte im Ausland zuweisen.

Beruht die Weisung der Arbeitgeberin auf einer unternehmerischen Entscheidung – wie hier die Schließung eines Standorts – kommt dieses besondere Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüft werden könnte. Maßgeblich ist, ob das unternehmerische Interesse die Weisung im konkreten Einzelfall rechtfertigen kann.

Der Kläger konnte somit wirksam von Nürnberg nach Bologna versetzt werden.

Zugegebenermaßen betrifft das Urteil einen Spezialfall. Allerdings stärkt das Urteil das Direktionsrechts der Arbeitgeberin nicht unmaßgeblich:

  • Das Direktionsrecht der Arbeitgeberin ist nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzt.
  • Aufgrund seines arbeitsvertragliche Direktionsrechts kann die Arbeitgeberin den Kläger anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten.
  • Sofern die Arbeitgeberin ein unternehmerisches Konzept (gemeint ist wohl die unternehmerische Entscheidung nach § 1 KSchG) vorweisen kann, kommt dieser bei der Ermittlung des billigen Ermessens besonderes Gewicht zu.
  • Es widerspricht nicht billigem Ermessen, dass die Versetzung zum Verlust tariflicher Ansprüche führt, da diese nicht zum Kern des Arbeitsvertrags gehören.

Sollten Sie – auch perspektivisch – planen, Ihre Mitarbeiter ins Ausland zu versetzen, bietet es sich an, eine entsprechende Versetzungsklausel in den Arbeitsvertrag mit aufzunehmen. Liegen die vertraglichen Voraussetzungen allerdings vor, steht einer Versetzung zumindest nach dem BAG nichts mehr im Wege.

Lukas Jakobi

Rechtsanwalt

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