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Workation: Rechtsicheres Arbeiten unter Palmen?

26.04.2023

BLUEDEX

Seit der weltweiten Pandemie und der Fortentwicklung der Digitalisierung wächst der Wunsch von Arbeitnehmern nach der Möglichkeit des ortsunabhängigen Arbeitens. Besonders beliebt ist hierbei das gelegentliche mobile Arbeiten im Ausland an einem Urlaubsort (sog. „Workation“).

Die anfänglich als vorteilhaft wahrgenommene Situation, birgt unternehmensseitig rechtliche Risiken. So stellt sich bereits in banalen Situationen, wie der eines Verunfallens des Arbeitnehmers in seinem „Strand-Office“ die Frage, ob dieser Versicherungsschutz genießt und welches Recht überhaupt anwendbar ist? Die Reihe der tangierten Rechtsgebiete und die Fülle der zu beachtenden Regelungen können dabei zu diversen Haftungsfallen führen.

Workation tangiert Rechtsgebiete wie das Arbeits-, das Sozialversicherungs-, das Ausländer- oder auch das Steuerrecht. Schließlich bestehen nochmals Unterschiede darin, ob sich der Arbeitnehmer im EU-Ausland oder in einem Drittstaat aufhält. Soll ein Arbeitnehmer – wenn auch nur für wenige Tage – im Ausland tätig werden, empfiehlt es sich daher den jeweiligen Einzelfall im Hinblick auf die einschlägigen Reglungen vollumfänglich zu überprüfen.

1. Workation und allgemeines Arbeitsrecht

Individualarbeitsrechtlich ist zunächst zu klären, ob deutschen Recht anwendbar ist bzw. anwendbar bleibt. Außerdem gilt zu klären, ob es einer arbeitsvertraglichen Regelung hinsichtlich der besonderen mobilen Arbeitsform bedarf.

Dreh- und Angelpunkt für die Frage, welches Recht anwendbar ist, ist in diesem Kontext der gewöhnliche Beschäftigungsort des Arbeitnehmers. Es liegt auf der Hand, dass ein nur vorübergehendes mobiles Arbeiten im Ausland bspw. im Anschluss an einen Urlaub keinen Einfluss auf den gewöhnlichen Beschäftigungsort hat. In der Regel verbleibt der Arbeitnehmer meist nur wenige Tage bzw. Wochen im Ausland, sodass auch weiterhin das deutsche Arbeitsrecht anwendbar bleibt, da der gewöhnliche Beschäftigungsort auch weiterhin in Deutschland ist. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer mehr als die Hälfte der Arbeitstage im Jahr aus einem anderen Land heraus arbeitet – dann gilt grundsätzlich das Arbeitsrecht des anderen Staates. Es gilt zudem zu beachten, dass fast alle Staaten zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften haben, welche unabhängig von dem Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu beachten wären. In der Regel betreffen diese Schutzvorschriften den Arbeitsschutz oder die Arbeitszeit.

Workation, welche einen Zeitraum von mehr als vier Wochen betrifft, löst arbeitsvertraglichen Handlungsbedarf aus. So wäre dem Arbeitnehmer in einem solchen Fall vor seiner Abreise eine Niederschrift mit Angaben hinsichtlich der Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit; der Währung, in welcher das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, sowie der vereinbarten Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitsnehmers aus dem Ausland auszuhändigen. Unabhängig von der Dauer des bestrebten mobilen Arbeitens empfiehlt sich der Abschluss einer individuellen arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung mit dem Mitarbeiter. Darin sollten die Bedingungen der Tätigkeit aus dem Ausland festgelegt werden (bspw. die Dauer des Aufenthaltes im Ausland, ob und welche technische Ausstattung dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird und unter welchen Umständen der Arbeitnehmer vorzeitig auf Weisung des Arbeitgebers zurückkehren muss sowie datenschutzrechtliche Aspekte).

2. Workation im Lichte des Sozialversicherungsrecht

Bei einer Tätigkeit mit Auslandsbezug ist im Hinblick auf das Sozialversicherungsrecht entscheidend, von welchem Ort die Tätigkeit verrichtet wird, da hier das sog. Beschäftigungslandprinzip gilt. Danach ist dasjenige Sozialversicherungsrecht desjenigen Landes anwendbar, in welchem der Mitarbeiter auch tatsächlich seine Arbeit verrichtet. Unter anderem hängt das anwendbare Sozialversicherungsrecht zudem davon ab, ob sich der Urlaubsort inner- oder außerhalb Europas befindet und in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer dort tätig wird. Damit das deutsche Sozialversicherungsrecht weiterhin Anwendung findet, müsste bei der Ausgestaltung von Workation darauf geachtet werden, dass der Arbeitnehmer weiterhin mindestens 25 % seiner Arbeitszeit in Deutschland erbringt, seinen üblichen Wohnsitz in Deutschland hat und der Arbeitgeber auch in Deutschland ansässig ist.

3. Workation und Steuerrecht

Aus steuerrechtlicher Perspektive gilt insb. zu klären, ob sich die Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung der Lohnsteuer durch die Workation im Ausland ändert. Im Ergebnis bleibt es bei der Versteuerung in Deutschland, wenn der in Deutschland ansässige und bei einem deutschen Arbeitgeber angestellte Arbeitnehmer nicht länger als 183 Tage im Ausland tätig wird.

4. Workation und Aufenthalts- und Melderecht

Sobald ein Arbeitnehmer im Ausland tätig wird, sollten Arbeitgeber mögliche Meldepflichten des Zielortes bedenken. In fast allen Ländern bestehen Meldepflichten, die von Staat zu Staat variieren können. Hier gilt es, sich rechtzeitig zu informieren, um Sanktionen zu vermeiden.
Vor einem Auslandsaufenthalt muss ferner immer das Aufenthaltsrecht geprüft werden. In der EU herrscht das Privileg der Freizügigkeit, sodass EU-Bürger in jeden Mitgliedstaat reisen und dort arbeiten können. Mobile Arbeit in einem EU-Mitgliedstaat ist damit aufenthaltsrechtlich – zumindest für die Dauer von drei Monaten – ohne große Nachweisobliegenheiten möglich. Problematischer hingegen wird es, wenn es um sogenannte Drittstaaten geht. Die Erwerbstätigkeit in Drittstaaten ist in der Regel nur mit einem entsprechenden Aufenthaltstitel möglich. Als Folge des Brexits gilt diese Regelung seit dem 1. Januar 2021 auch für Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs.

5. Unser Praxistipp

Je nach Umfang und Ausgestaltung der „Workation“ können unterschiedliche Regelungen zum Tragen kommen. Es empfiehlt sich daher, Mitarbeiter insbesondere aus Personalabteilungen, hierfür zu sensibilisieren und unternehmensinterne Leitlinien zu schaffen (Festlegung des berechtigten Personenkreises; zulässige Orte für Workation, maximale Dauer der Workation, zeitliche Abläufe; Bedingungen für die Inanspruchnahme und Beendigung; Dokumentation der Arbeitszeit etc.). Bei Existenz eines Betriebsrats im Unternehmen können derartige Leitlinien auch in Form einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Für zusätzliche Klarheit und Rechtssicherheit sorgen individuelle Vereinbarungen mit den betroffenen Mitarbeitern.

Vanessa Petry

Rechtsanwältin

Vanessa.Petry@BLUEDEX.de