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Active Sourcing – rechtliche Fallstricke für Arbeitgeber

10.05.2023

BLUEDEX Blog - Active Sourcing

Der infolge des vorherrschenden Fachkräftemangels ausgebrochene War for Talents lässt sich längst nicht mehr mit Stellenausschreibungen, die mit Obstkörben oder flachen Hierarchien locken, bestreiten. Weil Fachkräfte ihre privilegierte Situation auf dem Arbeitsmarkt kennen, müssen Arbeitgeber zur Gewinnung und Bindung von Top-Talenten mittlerweile weitaus schwerere Geschütze auffahren. Viele Arbeitgeber setzen dabei auch auf das sog. Active Sourcing. Die proaktive Recruiting-Methode wartet aber mit einigen Fallstricken rechtlicher Natur auf, die von Arbeitgebern nicht unterschätzt werden sollten.

I. Überblick

Arbeitgeber, die auf Active Sourcing setzen, warten nicht darauf, dass geeignete Kandidaten sich auf ausgeschriebene Stellen melden. Vielmehr machen sie sich aktiv auf die Suche nach potenziellen Mitarbeitern. Der Active Sourcing Prozess durchläuft dabei regelmäßig zwei Phasen. Er beginnt mit der Suche nach Kandidaten, die die Anforderung an die zu besetzende Stelle erfüllen. Erst im zweiten Schritt erfolgt dann i.d.R. die Ansprache und damit der tatsächliche Abwerbeversuch. Um den Stellenbesetzungsprozess rechtssicher durchlaufen zu können, sollten Arbeitgeber sich bestenfalls bereits vor Beginn der ersten Phase insbesondere intensiv mit datenschutzrechtlichen Fragestellungen beschäftigen. Spätestens ab der zweiten Phase gilt es zusätzlich auch wettbewerbsrechtliche Vorgaben zu beachten, wenn der gewünschte Kandidat noch bei einem anderen Unternehmen beschäftigt ist.

II. Datenschutzrechtliche Vorgaben

Entscheidender Unterschied zwischen traditionellen Bewerbern und Kandidaten im Rahmen des Active Sourcing ist die Sphäre, aus welcher der Erstkontakt resultiert. Während der klassische Bewerber sich selbst beim Unternehmen meldet und seine Daten somit zum Zwecke der Verarbeitung im Bewerbungsprozess freiwillig herausgibt, bedient sich das Unternehmen bei der aktiven Kandidatensuche an selbst beschafften Daten. Beliebte Tools für die Recherche waren dabei lange einzig die beruflich orientierten sozialen Netzwerke Xing und LinkedIn. Da die Grenze zwischen beruflichen und privaten Plattformen teilweise verschwimmt, bedienen sich Personalverantwortliche mittlerweile zunehmend auch der auf private Nutzung ausgelegten Netzwerke wie bspw. Instagram, TikTok oder Facebook. Unabhängig davon, über welche Plattform gesucht wird; weil personenbezogene Daten erhoben werden, sind die Vorgaben des BDSG und der DSGVO einzuhalten. Hierbei handelt es sich um Verbotsgesetze mit Erlaubnisvorbehalt, sodass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur in explizit gesetzlich normierten Fällen erlaubt ist.

Während Bewerber als Beschäftigte im Sinne des BDSG zählen und ihre personenbezogenen Daten deshalb auch im Zusammenhang mit der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden dürfen, fehlt es im BDSG an einer vergleichbaren Rechtsgrundlage für Kandidaten die proaktiv vom Unternehmen angesprochen werden. Abhilfe schafft jedoch die DSGVO. Denn auch ohne traditionelles Anbahnungsverhältnis, wie man es bei klassischen Bewerbungssituationen vorfindet, ist einem Arbeitgeber nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) iVm Art. 9 Abs. 2 lit. e) DSGVO die Datenverarbeitung unter bestimmten Voraussetzungen auch beim Active Sourcing erlaubt. Erforderlich ist hierzu zunächst das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung, ohne dass das Interesse des Kandidaten dem überwiegend entgegensteht. Darüber hinaus sind ausschließlich Daten zu verarbeiten, die der Kandidat zuvor selbst öffentlich gemacht hatte. Als öffentlich einsehbar soll in diesem Zusammenhang wegen der sehr geringen Hürden auch ein Profil gelten, was nur durch andere Mitglieder des Netzwerks eingesehen werden kann. Nicht öffentlich ist jedoch ein Profil, welches nur von Kontakten eingesehen werden kann. In der Bestätigung einer entsprechenden Kontaktanfrage kann jedoch eine konkludente Einwilligung gesehen werden, so dass die Daten nun von dem neuen „Kontakt“ eingesehen werden dürfen. Der Umfang der Daten, die datenschutzkonform erhoben und verarbeitet werden dürfen, korreliert mit dem Fragerecht des Arbeitgebers in einem Vorstellungsgespräch. Zu beachten sind dabei auch die allgemeinen Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten gem. Art. 5 Abs. 1 DSGVO. Diese fordern neben der Datensparsamkeit, der Zweckbindung und der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die Datentransparenz. Letztere können Arbeitgeber einhalten, indem sie ausgewählte Kandidaten, idealerweise bereits bei der ersten Kontaktaufnahme über die beabsichtigte Datenverarbeitung informieren. Nur im Ausnahmefall sollte davon abgesehen werden (Art. 14 Abs. 5 lit. b) DSGVO).
Auch wenn ein Nutzungsverbot der Daten für Zwecke der Personalgewinnung in den AGB der einschlägigen Netzwerkbetreiber regelmäßig nicht ersichtlich ist, gab es ein solches zumindest in der Vergangenheit (etwa bei StudiVZ), sodass Arbeitgeber gut beraten sind, wenn sie die AGB der jeweiligen Anbieter sorgfältig prüfen.
Bei datenschutzrechtlich relevanten Verstößen drohen in erster Linie empfindliche Bußgelder. Außerdem besteht das Risiko von Schadensersatzklagen durch den Bewerber.

III. Wettbewerbsrecht

Auch wenn das Abwerben von Mitarbeitern zum freien Wettbewerb gehört und deshalb grundsätzlich erlaubt ist, sollte die Ansprache von Kandidaten wohlüberlegt erfolgen. Anderenfalls besteht das Risiko, dass unlautere Begleitumstände dafür sorgen, dass die Kontaktaufnahme als wettbewerbswidrig einzustufen ist. Ein Wettbewerb im Sinne des UWG besteht dabei im Übrigen nicht nur zwischen Unternehmen derselben Branche, sondern grundsätzlich in Bezug auf alle Fachkräfte.
Für die Ansprache selbst gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. So könnte ein Kandidat, der auf einem beruflich orientierten sozialen Netzwerk ausfindig gemacht wurde, in den aller meisten Fällen wohl zumindest via Privatnachricht auf ebendieser Plattform kontaktiert werden. Wenngleich sich diese Form der Kontaktaufnahme denkbar einfach präsentiert, so ist sie mit Vorsicht zu genießen. Bei einer solchen Ansprache handelt es sich – schließlich preist der Arbeitgeber sein Unternehmen an – um eine bestimmte Form von Werbung. Ohne vorherige Einwilligung stellt eine solche Kontaktaufnahme nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG eine unzumutbare Belästigung dar. Zusätzlich kann eine derartige Ansprache gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kandidaten nach §§ 823, 1004 BGB analog verstoßen. Abhilfe könnte einzig eine Einwilligung der betroffenen Person schaffen. Die Anmeldung auf der Plattform selbst kann dabei noch nicht als Einwilligung zur Kontaktaufnahme gewertet werden. Die größeren Anbieter haben mittlerweile Funktionen installiert, mit denen Personen Unternehmen generell signalisieren können, dass sie offen für Jobangebote sind (z.B. „open to work“ Banner auf LinkedIn oder „offen für Angebote“ auf Xing). Ob die Nutzung dieser Funktionen als Einwilligung ausgelegt werden kann ist dabei im Hinblick auf den generellen Charakter fraglich, aber nicht ausgeschlossen. Wenn ein Unternehmen beabsichtigt, Kandidaten über derartige Plattformen anzuschreiben sollte deshalb geprüft werden, ob sich dem Profil zumindest ein generelles Einverständnis entnehmen lässt. Weil der Arbeitgeber im Zweifel beweispflichtig wäre, sollte das allgemeine Interesse des Kandidaten, beispielsweise mittels Screenshots, dokumentiert werden.

Deutlich unkritischer scheint die telefonische Kontaktaufnahme. Weil Kandidaten hier vom Gesetzgeber nur allgemein als Verbraucher eingestuft werden, ist eine mutmaßliche Einwilligung in diesen Fällen ausreichend. Ein Augenmerk muss hier dafür in besonderem Maße auf die Interessen des gegenwärtigen Arbeitgebers des Kandidaten gelegt werden. Die Kontaktaufnahme sollte daher nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeiten stattfinden. Wird der Kandidat während der Arbeitszeit erreicht, sollte lediglich kurz skizziert werden, was der Grund der Kontaktaufnahme ist. Bei Interesse sollte ein Rückruf vereinbart werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Betriebsablauf des Konkurrenten nicht unangemessen beeinträchtigt wird. Aber auch bei Gesprächen außerhalb der Arbeitszeit sollten allgemeine Gesprächs- und Umgangsformen eingehalten werden. Insbesondere die Diffamierung des gegenwärtigen Arbeitgebers sollte tunlichst unterlassen werden, da es sich um unlautere Wettbewerbshandlungen nach § 4 Nrn. 1, 4 UWG handelt. Auch im Falle von Verstößen gegen das UWG drohen Bußgelder oder Schadensersatzklagen von Mitbewerbern.

IV. Fazit

Wenngleich sich das Active Sourcing durchaus als gute Alternative im Kampf um potenzielle Mitarbeiter präsentiert, sollten die rechtlichen Fallstricke nicht vernachlässigt werden. In Anbetracht der datenschutz- und wettbewerbsrechtlichen Hürden sowie der damit einhergehenden drohenden Bußgelder und Schadensersatzklagen sind Arbeitgeber gut beraten, sich während des Recruitingprozesses rechtlich abzusichern. Der Aufwand, der mit der Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen einhergeht, dürfte sich durch die gesteigerte Effizienz und Erfolgsquote bei der Personalbeschaffung schnell rentieren.