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BAG Entscheidung: Equal Pay

19.09.2023

BLUEDEX Pay Gap

Mehr Gehalt aufgrund einer geschickteren Gehaltsverhandlung? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem viel diskutierten Urteil vom 16. Februar 2023 weitere Schritte in Richtung Equal Pay eingeleitet: unterschiedlich hohe Gehälter von Frauen und Männern dürfen nicht mehr lediglich damit begründet werden, dass „besser verhandelt wurde“. Viel mehr bedarf es für Differenzierungen beim Entgelt von Frauen und Männern für gleiche oder gleichwertige Arbeit einer fundierten Begründung, die an objektive geschlechtsneutrale Gründe geknüpft werden muss.

I. Sachverhalt

In dem konkreten Fall ging es um eine Mitarbeiterin eines Metall- und Elektronikunternehmens, die im Außendienst beschäftigt war und ein einzelvertraglich vereinbartes Grundgehalt von 3.500 EUR brutto erhielt. Im selben Unternehmen war auch ein männlicher Kollege angestellt, dem für den Außendienst zwar auch ein Gehalt von 3.500 EUR brutto angeboten wurde, der aber aufgrund seines guten Verhandlungsgeschickes ein höheres Grundgehalt von 4.500 EUR brutto erhielt. Als die Mitarbeiterin von dem Gehaltsunterschied zu ihrem männlichen Arbeitskollegen erfuhr, erhob sie Klage aufgrund eines Verstoßes der Arbeitgeberin gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung und verlangte die Zahlung rückständiger Vergütung und eine Entschädigung für die erfolgte Ungleichbehandlung.

II. Entscheidung des BAG

Das BAG gab der Klägerin Recht. Das Gericht stellte einen Verstoß der Arbeitgeberin gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung fest. Die Klägerin habe einen Anspruch gem. Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) auf die rückständige Vergütung und eine Entschädigung nach § 15 Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufgrund der Diskriminierung wegen ihres Geschlechts.

  1. Rechtlicher Hintergrund

In Deutschland normiert § 7 EntgTranspG das Entgeltgleichheitsgebot. Dieses besagt, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts eines Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder bezahlt werden darf als bei einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

Da beide Mitarbeiter im Außendienst tätig waren, die gleiche Verantwortlichkeiten und Befugnisse inne hatten und sich gegenseitig als ihre Vertreter einsetzten, übten sie gleiche Arbeit aus. Die weibliche Mitarbeiterin verdiente dabei aber verglichen mit ihrem männlichen Kollegen weniger. Dieser Umstand begründe die Vermutung einer unmittelbaren geschlechtsbezogenen Entgeltdisikriminierung nach § 22 AGG. Die Arbeitgeberin hätte die Vermutung der Diskriminierung der weiblichen Mitarbeiterin widerlegen müssen. Somit ging es in der Entscheidung hauptsächlich um die Frage, mit welcher Begründung die Vermutung einer Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts widerlegt werden könne.

  1. Unzulässige Begründung

Eine Erhöhung des Grundgehalts im Hinblick auf die Gewinnung des männlichen Mitarbeiters und bezogen auf den angespannten Arbeitsmarkt, ist nur im Einzelfall dazu geeignet, die Vermutung der Entgeltdiskriminierung zu widerlegen. Erforderlich wäre, dass ausreichend dargelegt und bewiesen werden kann, dass gerade für die zu besetzende Stelle auf dem Arbeitsplatz Personalgewinnungsschwierigkeiten bestanden.

Auch ein spezieller Wunsch in der Gehaltsverhandlung, wie z.B. vorliegend eine Sonderurlaubsvereinbarung, kann die Vermutung nicht widerlegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Wunsch des Arbeitnehmers in Kenntnis aller Umstände geäußert wird. Dies umfasst auch die Kenntnis eines potenziell höheren Gehalts. Bei Gehaltsverhandlungen fehlt aber regelmäßig die Kenntnis über das Entgelt der anderen Mitarbeiter, sodass ein Wunsch hinsichtlich eines höheren Gehalts – wie potenziell vergleichbare Kollegen es erhalten könnten – meist nicht sachgerecht geäußert werden kann.

Besondere mediale Aufmerksamkeit bekam die Klarstellung des BAG dadurch, dass das Verhandlungsgeschick allein kein geeignetes objektives Differenzierungskriterium zur Rechtfertigung einer Entgeltungleichheit sei. Denn gerade, wenn es um das Verhandlungsgeschick gehe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Geschlecht mitursächlich für die Vereinbarung einer höheren Vergütung war. Zwar werde hierdurch die Privatautonomie zugunsten des Gebots der Entgeltgleichheit eingeschränkt, aber das Entgeltgleichheitsgebot verfolge nur den Zweck, das bestehende Gender-Pay-Gap zu schließen. Das Kriterium Verhandlungsgeschick sei damit weder objektiv noch geschlechtsneutral und somit unzulässig.

  1. Zulässige Begründung

Argumentativ bleiben für den Arbeitgeber die auf die Tätigkeit bezogenen Merkmale übrig: eine besondere Qualifikation, fachspezifische Ausbildung oder Berufserfahrung. Diese können Faktoren darstellen, die eine unterschiedliche Vergütung objektiv rechtfertigen (so auch das EuGH- Urteil v. 28- Februar 2013 – C-427/11). Denn es ist grundsätzlich legitim, etwa eine spezifische Berufserfahrung zu honorieren, aufgrund dieser der Arbeitnehmer seine Arbeit besser verrichten kann.

III. Ausblick

Wie die Entgelttransparenz-Richtlinie der Europäischen Union, die am 24. April dieses Jahres final angenommen wurde, dürfte auch dieses Grundsatzurteil des BAG ein bedeutendes Signal für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen setzen und es Frauen künftig erleichtern, ihr Recht auf gleiches Entgelt auch tatsächlich durchzusetzen.

Doch bedeutet das Urteil des BAG nun das Ende von Gehaltsverhandlungen und damit einhergehend der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen?

Nein, aber das BAG betont durch diese Entscheidung, dass gleiche und gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern auch gleich bezahlt werden muss. Auf das Verhandlungsgeschick können sich Arbeitgeber bei bestehender ungleicher Vergütung nicht mehr berufen. Differenzierungen bleiben aber weiter zulässig, solange sie objektiv und geschlechtsneutral begründet werden.