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EuGH: Mögliche Diskriminierung bei Befristung von Teilzeitarbeitsverträgen

15.12.2019

  1. Die Entscheidung

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 3. Oktober 2019 – C-274/18 – Stellung genommen zu einer möglichen unionsrechtswidrigen Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeit­beschäftigten bei der Befristung von Arbeitsverträgen wissenschaftlicher Mitarbeiter an Universitäten.

 

  1. Hintergrund

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens begehrt die Feststellung, dass ihre Beschäftigung bei der beklagten Wiener Universität, die seit 2002 auf Grundlage aufeinander­folgender befristeter Verträge bestand, unbefristet fortbesteht. Nach österreichischem Recht ist eine Kettenbefristung von Universitätsmitarbeitern, die im Rahmen von Drittmittel- oder Forschungsprojekten beschäftigt oder ausschließlich in der Lehre eingesetzt sind, zulässig. Die gesetzliche Höchstgrenze der Gesamtdauer der Befristung liegt bei Teilzeitbeschäftigung zwei Jahre höher als bei Beschäftigung in Vollzeit. Die Klägerin meint, die nationale Rechtsvorschrift benachteilige Personen mit Teilzeitbeschäftigung und führe zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Nach der Entscheidung des EuGH steht Unionsrecht der besagten Regelung entgegen, es sei denn eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt und steht in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Gründen. Dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden nationalen Gerichts.

Zudem steht der unionsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen entgegen, wenn erwiesen ist, dass der prozentuale Anteil der benachteiligten weiblichen Beschäftigten signifikant höher ist als der der benachteiligten männlichen Beschäftigten, und die Regelung nicht sachlich gerechtfertigt oder unverhältnismäßig ist. Die Glaubhaftmachung der Diskriminierung durch die klagende Partei erfordert nicht die Darlegung konkreter statistischer Zahlen oder Tatsachen, wenn sie hierzu keinen Zugang hat.

 

  1. Praxistipp

 Kettenbefristungen bleiben weiterhin zulässig, wenn sie nach Maßgabe nationalen Rechts durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind. Der EuGH hat die unionsrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Grundes zwar nicht weiter konkretisiert. Rechtsklarheit schafft das Urteil jedoch im Hinblick auf die Darlegungslast der – vermeintlich – durch Diskriminierung beschwerten Partei. Ausreichend ist demnach, wenn der Anschein einer Diskriminierung anhand allgemeinen statistischen Arbeitsmarktdaten glaubhaft gemacht wird. Da auch in Deutschland nach der allgemeinen Arbeitsmarktstatistik weiterhin deutlich mehr Frauen in Teilzeit beschäftigt sind als Männer, wird diese Thematik die Arbeitsgerichte auch in Zukunft beschäftigen.