25.04.2024
Die private Handynutzung am Arbeitsplatz ist Arbeitgebern häufig ein Dorn im Auge. Nicht selten sind die hierdurch bedingten Ablenkungen der Arbeitnehmer die Ursache für Unkonzentriertheit, Flüchtigkeitsfehler und verminderte Performance im Betrieb. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Arbeitgeber vermehrt ausdrückliche Verbote der privaten Smartphone-Nutzung am Arbeitsplatz aussprechen. Das BAG hatte nun erstmals darüber zu entscheiden, ob ein solches Verbot – bei Bestehen eines Betriebsrats – mitbestimmungspflichtig ist.
I. Der Sachverhalt
Im konkreten Fall ging es um einen Betrieb im Bereich der Automobilzulieferungsindustrie mit ca. 200 Beschäftigten, von denen der Großteil in der Produktion tätig ist. Die dortige Werksleitung ließ im November 2021 über einen mit „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ titulierten Aushang Folgendes verlauten:
„Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit weisen wir darauf hin, dass jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet ist. Sofern gegen dieses Verbot verstoßen wird, ist mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen – bis hin zur fristlosen Kündigung – zu rechnen.“
Hiergegen regte sich im Betriebsrat Widerstand. So sah dieser aufgrund seiner fehlenden Beteiligung das ihm aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gewährte Mitbestimmungsrecht („Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“) verletzt. Nachdem er vom Arbeitgeber erfolglos die Rücknahme des Verbots verlangt hatte, machte er die Unterlassung gerichtlich geltend.
II. Die rechtliche Problematik
Der Sachverhalt zeigt anschaulich auf, dass vom Arbeitgeber getroffene Regelungen sowohl das sog. mitbestimmungspflichtige „Ordnungsverhalten“ als auch das mitbestimmungsfreie „Arbeitsverhalten“ gleichzeitig betreffen können. Dabei stellt sich stets die Frage, wie mit einer solchen Maßnahme umzugehen ist.
Der Zweck der betrieblichen Mitbestimmung besteht darin, die Interessen der Arbeitnehmer bei der Ausgestaltung der Ordnung der in § 87 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Angelegenheiten gleichberechtigt zu berücksichtigen. Dabei umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus Nr. 1 das sogenannte Ordnungsverhalten, das ausschließlich die Organisation des Zusammenlebens und -wirkens der Arbeitnehmer im Betrieb betrifft. Hiervon zu unterscheiden ist das sog. Arbeitsverhalten, welches Regelungen und Weisungen umfasst, mit denen die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer konkretisiert wird. Dieses unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Tangiert eine Maßnahme des Arbeitgebers sowohl das Ordnungs- als auch das Arbeitsverhalten, ist entscheidend, welcher Regelungszweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls überwiegt.
Im konkreten Fall war der Betriebsrat der Ansicht, dass das aufgestellte Verbot dem Ordnungsverhalten zuzurechnen sei. So sei die vertragliche Pflichterfüllung nicht in jedem Fall betroffen. Insbesondere dann nicht, wenn die Verwendung von Mobiltelefonen in Zeiten erfolge, in denen keine Arbeit anfalle. Die Arbeitgeberin war hingegen der Ansicht, das Verbot regele das Arbeitsverhalten, da sein Regelungszweck ganz maßgeblich die Konkretisierung der Arbeitnehmerpflicht sei, die Arbeit konzentriert zu erledigen.
III. Die Entscheidung
Sowohl das Arbeitsgericht Braunschweig in erster Instanz (17. März 2022 – 6 BV 15/21) als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in zweiter Instanz (13. Oktober 2022 – 3 TaBV 24/22) waren der Auffassung, dass durch das vom Arbeitgeber ausgesprochene Verbot keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt werden. Am 17. Oktober 2023 entschied schließlich auch das Bundesarbeitsgericht (1 ABR 24/22) unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats, dass der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hat, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung zu gewährleisten. Es stimmte den Erwägungen des LAG Niedersachsen zu, dass es sich bei dem ausgesprochenen Verbot nicht um eine Maßnahme der Ordnung des Betriebs oder des Verhaltens der Beschäftigten handele. Es würden hiermit schwerpunktmäßig keine Verhaltensregeln für das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken aufgestellt, sondern vielmehr die Art und Weise der Arbeitserbringung geregelt. Sinn und Zweck der Regelung des Arbeitgebers sei die Sicherstellung der zügigen und konzentrierten Erbringung der vertragsmäßig geschuldeten Arbeitsleistung ohne Unterbrechungen durch die private Nutzung von Smartphones. Hierfür spreche auch, dass das Verbot auf die Arbeitszeit beschränkt sei.
IV. Praxisrelevanz der Entscheidung
Das BAG hat in seinem jüngsten Beschluss die Unterscheidung zwischen mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten bezüglich der Nutzung privater Smartphones am Arbeitsplatz zutreffend präzisiert. In vergleichbaren Fällen, in denen nicht klar ist, ob der Hauptzweck der Regelung eher dem Ordnungs- oder dem Arbeitsverhalten zuzuordnen ist, bietet es sich für Arbeitgeber an, eine gemeinsame Lösung mit dem Betriebsrat anzustreben. Hierdurch wird nicht nur die Akzeptanz für Verhaltensrichtlinien innerhalb der Belegschaft gesteigert, sondern es werden auch unnötige Rechtsstreitigkeiten vermieden. Anders wäre der Fall wahrscheinlich zu beurteilen, wenn das Verbot der Handynutzung allumfassend gelten soll, also während der Arbeitszeit und auch der Pausen. Letzteres unterliegt nämlich nach wie vor der betrieblichen Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.