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ArbG Wesel: Videoüberwachung zwecks Einhaltung von Corona-Schutzvorschriften

12.05.2020

  1. Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Wesel hat in einem Eilverfahren mit Beschluss vom 24. April 2020 (Az. 2 BVGa 4/20) die Mitbestimmungsrechte eines Betriebsrates gestärkt, der sich gegen die Verarbeitung von Videoaufnahmen im Betrieb zwecks Einhaltung der im Rahmen der Corona-Pandemie empfohlenen Abstandsregelungen gewehrt hatte.

  1. Hintergrund

Die Antragsgegnerin ist deutsches Tochterunternehmen eines internationalen Logistik- und Versandkonzerns. In ihrem Betrieb findet eine Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras Anwendung. Infolge der aktuellen Corona-Pandemie nutzte die Antragsgegnerin die auf dem Betriebsgelände installierten Kameras, um Bereiche zu identifizieren, in denen die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern zwischen den Mitarbeitern nicht gewährleistet werden kann. Hierfür wurden in fünfminütigen Intervallen Standbilder gefertigt und mittels einer Software, die auf einem Datenserver im Ausland arbeitet, anonymisiert und ausgewertet. Das Ergebnis der Prüfung wurde sodann an die für den betrieblichen Gesundheitsschutz Verantwortlichen weitergeleitet, damit diese mittels Anpassung der Arbeitsprozesse Abhilfe schaffen können.

Der antragstellende Betriebsrat hat im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens die Unterlassung dieses Vorgehens begehrt, weil er seine Mitbestimmungsrechte sowie Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter verletzt sah. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag teilweise stattgegeben. Trotz Anonymisierung der Aufnahmen stehe dem Betriebsrat wegen Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte im Hinblick auf die Verarbeitung und Übermittlung der Daten zum Zweck der Abstandsmessung und -überwachung ein Unterlassungsanspruch zu. Eine entsprechende Datennutzung sei von der Betriebsvereinbarung nicht gedeckt.

Die gegenwärtige Pandemielage rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn allein die kontinuierliche Ausbreitung des Virus führe nicht dazu, dass auf eine akute Gefahr für den Betrieb und damit einen extremen Notfall zu erkennen sei, der einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers im Einzelfall rechtfertigen könne.

  1. Praxistipp

Wenngleich die derzeitige präzedenzlose Ausnahmesituation in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens kreative Lösungsansätze fordert und selbst althergebrachte Rechtsgrundsätze zunehmend auf dem Prüfstand stehen, ersetzt allein der Verweis auf das Virus und die damit einhergehenden Bedrohungen für Gesundheit und Wirtschaftlichkeit keine sorgfältige rechtliche Prüfung und Abwägung. Auch in Krisenzeiten hat daher der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu wahren.