26.06.2023
Während in anderen Ländern Europas – wie z.B. in Belgien im Jahr 2022 – die Vier-Tage-Woche gesetzlich festgeschrieben wurde, wird in Deutschland neben der Vier-Tage-Woche auch über die Einführung der 42-Stunden-Woche diskutiert. Die Arbeitszeitmodelle gehen dabei in entgegengesetzte Richtungen: bei der Vier-Tage-Woche geht es gerade um die Reduzierung der Arbeitstage. Bei der 42-Stunden-Woche soll hingegen die Stundenanzahl pro Tag angehoben werden.
Werden wir in Zukunft also mehr oder weniger arbeiten müssen? Und was sind die Vor- und Nachteile des jeweiligen Arbeitszeitmodells und sind diese arbeitsrechtlich zulässig?
Mit der Vier-Tage-Woche ist das Arbeitszeitmodell gemeint, bei welchem Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung statt an fünf Tagen nur noch an vier Tagen die Woche erbringen müssen. Das Wochenende verlängert sich dabei von zwei auf drei Tage. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Arbeit für den jeweiligen Mitarbeitenden weniger wird, sondern nur, dass sie nicht an fünf, sondern an vier Tagen erbracht werden muss.
Dabei gibt es drei mögliche Varianten der Ausgestaltung der Vier-Tage-Woche:
Die erste Variante wäre, dass an vier Tagen gearbeitet wird, ohne dass sich die Wochenarbeitszeit ändert. Die Arbeitszeit würde von den üblichen fünf Tagen auf vier Tage aufgeteilt. Gleichzeitig wäre die Arbeitszeit an den jeweiligen Tagen länger, der Lohn würde aber – wie bei der Fünf-Tage-Woche – unverändert bleiben.
Bei der zweiten Variante wäre die Wochenarbeitszeit von fünf auf vier Tage reduziert, gleichzeitig würde aber auch der Lohn entsprechend gekürzt werden.
Bei der dritten Variante wäre die Wochenarbeitszeit auf vier Tage gekürzt, gleichzeitig gäbe es aber keine Abstriche beim Lohn.
Die grundsätzliche Frage ist zunächst aber: ist die Implementierung einer Vier-Tage-Woche – insbesondere bei der Variante, in welcher die Wochenarbeitszeit unverändert bleibt – arbeitsrechtlich überhaupt möglich? Die gesetzliche Höchstarbeitszeit ist in § 3 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) geregelt.
Demnach darf die werktägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers acht Stunden nicht überschreiten. In Ausnahmefällen darf die Höchstarbeitszeit aber auf zehn Stunden ausgeweitet werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Somit wäre etwa eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden in einer Vier-Tage-Woche grundsätzlich zulässig. Für einzelne Gruppen – wie z.B. Jugendliche oder Auszubildende – gelten aber Ausnahmeregelungen.
Das deutsche Arbeitsrecht würde einer Vier-Tage-Woche also grundsätzlich nicht im Wege stehen.
Für Arbeitnehmer ist die Vier-Tage-Woche besonders attraktiv: durch den zusätzlich gewonnenen Tag in der Woche, können die Arbeitnehmer private Termine wahrnehmen, Erledigungen tätigen und sich mehr Zeit für Familie, Freunde oder Freizeitaktivitäten einräumen. Dadurch kann nicht nur effektiv Stress abgebaut werden, sondern es steigert auch die allgemeine Zufriedenheit, welche sich wiederum positiv auf die Arbeitsleistung und die Produktivität im Unternehmen auswirken kann. Ferner wird durch den eingesparten Arbeitstag die Fahrt zur Arbeit finanziell als auch zeitlich eingespart.
Aber auch für Arbeitgeber hat dieses Arbeitszeitmodell einige Vorteile: Hat ein Arbeitgeber die Vier-Tage-Woche als Model eingefügt, erscheint sein Unternehmen gerade für junge Arbeitssuchende attraktiver. Denn besonders in einer zunehmend individualisierten Welt wird der Wunsch immer größer, das Privatleben mit dem Arbeitsleben optimal verbinden zu können. Durch die Vier-Tage-Woche stechen Unternehmen gegenüber Konkurrenten heraus und können so besonders qualifizierte Fachkräfte für sich gewinnen. Außerdem kann ein Unternehmen durch eine Besonderheit wie die Vier-Tage-Woche mehr Bewerber generieren. Darüber hinaus bleiben zufriedene Mitarbeiterende länger im Unternehmen und es kommt zu weniger Kündigungen oder Ausfällen durch Krankheit.
Ferner könnte auch arbeitgeberseitig in bestimmten Branchen und Betrieben durch die Einsparung eines Arbeitstages ein finanzieller Vorteil resultieren, sofern hierdurch variable Kosten (etwa für Strom und Maschinen) gesenkt werden können.
Ein wesentlicher Nachteil zeigt sich insbesondere bei der Variante der Vier-Tage-Woche, bei welcher die Wochenarbeitszeit unverändert bleibt. Denn in diesen Fällen hat der Arbeitnehmer mit je zehn Arbeitsstunden längere Arbeitstage. Dadurch erhöht sich die Arbeitsverdichtung und der Workload für den Einzelnen.
Bei der Variante, bei der zugleich die Wochenarbeitszeit als auch der Lohn reduziert wird, ist die dadurch einhergehende finanzielle Einbuße der ausschlaggebende Nachteil.
Für Arbeitgeber könnte es ferner zu Schwierigkeiten bei der Koordination der Mitarbeitenden kommen. Gerade bei einer engen Zusammenarbeit im Team ist es notwendig, dass die Mitarbeitenden zur selben Zeit tätig sind. Wenn die Mitarbeitenden an unterschiedlichen Tagen tätig sind, könnte die Zusammenarbeit erschwert werden. Insbesondere in Fällen, bei denen interne Rückmeldungen oder Zuarbeiten erforderlich sind, wäre dies ein wesentlicher Faktor. Bei der Betreuung von Kunden könnten hier ebenfalls organisatorische Schwierigkeiten entstehen. Ferner ist für den Arbeitgeber der (krankheitsbedingte) Ausfall des Arbeitnehmers schwerer zu kompensieren, wenn die Arbeitszeit auf weniger Arbeitstage komprimiert wird.
Im Juli vergangenen Jahres wurde die 42-Stunden-Woche wieder ins Gespräch gebracht. Bei diesem Arbeitszeitmodell sollen Arbeitnehmer pro Woche zwei Stunden zusätzlich arbeiten, sodass sie auf eine Wochenarbeitszeit von insgesamt 42 Stunden kommen. Grund für die Erhöhung der Wochenarbeitszeit sei zum einen, dass die „Babyboomer-Generation“ in den kommenden Jahren in Rente gehen wird und dadurch viele Arbeitnehmer wegfallen. Zum anderen wird diese Dynamik durch den Fachkräftemangel intensiviert. Der fehlende Arbeitskräftemangel könne dabei durch die Erhöhung der Arbeitszeit ausgeglichen werden.
Betrachtet man die 42-Stunden-Woche aus arbeitsrechtlicher Sicht, so ist auch hier wieder die Regelung des § 3 ArbZG zu beachten. Mit dem Bestehen einer 42-Stunden-Woche müsste ein Arbeitnehmer 9,6 Stunden am Tag arbeiten. Zwar überschreitet das die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden. Allerdings greift hier auch wieder die Ausnahme, dass die Höchstarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden ausgeweitet wird. Mit 9,6 Stunden am Tag wäre dies noch im Rahmen des ArbZG. Somit wäre auch die 42-Stunden-Woche mit dem deutschen Arbeitsrecht vereinbar.
Die Einführung der 42-Stunden-Woche könnte eine Maßnahme gegen den zunehmenden Fachkräftemangel darstellen und die fehlenden Arbeitsstunden ausgleichen. Durch die Mehrarbeit bedürfe es weniger Mitarbeitende in einem Unternehmen. Darüber hinaus könnten durch die zusätzlichen Arbeitsstunden die Lücken ausgeglichen werden, die durch die kommende in Rente gehende Generation ausgelöst wird. Denn die fehlenden Arbeitskräfte können auch gravierende Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung von Deutschland haben. Darüber hinaus profitieren Arbeitnehmer durch den prozentual erhöhten Lohn auch finanziell von der 42-Stunden-Woche.
Durch eine Erhöhung der Arbeitszeit besteht die Möglichkeit, dass dadurch der Stress für den einzelnen Arbeitnehmer erhöht wird. Im Umkehrschluss ist ein unzufriedenerer und gestresster Mitarbeitende weniger motiviert und produktiv und somit weniger leistungsfähig im Unternehmen.
Außerdem wurde in zahlreichen Studien belegt, dass sich Menschen nicht konstant über einen längeren Zeitraum konzentrieren können.
Ob der Fachkräftemangel durch die 42-Stunden-Woche tatsächlich entschärft werden könnte, ist ebenfalls fraglich. Denn durch das Modell der 42-Stunden-Woche wäre Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern für Fachkräfte weniger attraktiv. Andere Länder bieten bezogen auf die Arbeitsbedingungen flexiblere und arbeitnehmerfreundlichere Modelle, wodurch Deutschland dadurch sogar für ausländische Fachkräfte weniger attraktiv erscheinen könnte.
Sowohl die Vier-Tage-Woche als auch die 42-Stunden-Woche beinhalten jeweils Vor- und Nachteile. Ob sich nun die Vier-Tage-Woche oder die 42-Stunden-Woche durchsetzen wird, hängt auch davon ab, wie sich der Arbeitsmarkt und die grundsätzliche Einstellung zur Arbeit von jedem Einzelnen entwickelt. Bei der Auswahl des Arbeitszeitmodells sind ferner auch branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten zu beachten.
Unabhängig davon, ob wir nun künftig mehr oder weniger arbeiten müssen – das deutsche Arbeitsrecht ist jedenfalls für beide Arbeitszeitmodelle gewappnet.